Weisses Gold
mutigen Frauen hätten dem Sultan »Gott losigkeit vorgeworfen, weil er seinen Körper so kurz vor dem Ramadan mit starkem Likör gefüllt habe«. Die Frauen waren derart angewidert, dass sie auf die Straße gingen und einen Proteststurm gegen das skandalöse Verhalten ihres Ehemanns entfachten.
Die Bevölkerung war rasch davon überzeugt, dass dieser Sultan nicht zum Regieren taugte. Die Stadt Fes, die ohnehin bereits gegen ihn revoltierte, weigerte sich, einen Prinzen anzuerkennen, »der sich der Völlerei hingab und vom Wein verblödet war«. Nun schloss sich auch Meknes dem Aufstand an. Der Sultan hätte sich noch an die Macht klammern können, aber als sich auch die
Ulema
, die religiösen Gelehrten am Hof, gegen ihn wandten, begriff Achmed ed-Dehebi, dass seine Tage an der Macht gezählt waren, und floh unverzüglich aus Meknes. Der Thron wurde seinem Bruder Abdelmalek angeboten. Laut dem arabischen Chronisten Muhammad al-Qadiri wurde der neue Sultan aufgrund seiner »Entschlossenheit, seines Könnens, seines ausgezeichneten Lebenswandels und seiner guten Politik, seiner großen Gerechtigkeit und seiner Liebe zum Lernen« ausgewählt. Es mag sein, dass er all diese Qualitäten besaß, aber er war auch dumm und bewies sehr wenig Umsicht. Sein erster Fehler war, dass er die Flucht seines Bruders zuließ. Und dann beging er den Fehler, die schwarze Garde öffentlich zu kritisieren.
Thomas Pellow sah dem Dienst unter dem neuen Sultan mit Bangen entgegen, denn Abdelmalek wollte seine europäischen Renegaten einsetzen, um seine Gegner zu bestrafen. Dann erfuhr Pellow, dass die schwarze Garde in ihrer Loyalität gegenüber Abdelmalek schwankte und bereit schien, sich wieder auf die Seite von Achmed ed-Dehebi zu schlagen. Als Pellow hörte, dass der abgesetzte Sultan in der Nähe war und eine große Streitmacht sammelte, machte er sich »sogleich auf den Weg zu ihm, um mit ihm nach Meknes zu marschieren«.
Die Hauptstadt war so befestigt, dass eine Invasionsarmee ihre Mauern kaum überwinden konnte. Die einzige Möglichkeit, Meknes zu bezwingen, bestand darin, die Stadt zu beschießen, bis sich die Verteidiger ergaben. Genau das versuchte Achmed ed-Dehebi, der eine Salve nach der anderen auf den Stadtkern abfeuern ließ. Die Truppen von Sultan Abdelmalek leisteten erbitterten Widerstand, sahen sich jedoch einem immer heftigeren Beschuss durch die Belagerer ausgesetzt. Zwei Tage tobte der Kampf um die Stadttore. Schließlich gelang es Achmed ed-Dehebis Soldaten, unter denen auch Thomas Pellow war, die Bastionen zu erstürmen und die Kasbah im Herzen der Stadt zu erobern. Alle Verteidiger wurden hingerichtet. Adrian de Manault berichtet: »Dort sah man weniger das Bild eines Krieges, sondern das eines Schlachtfests.«
Als das Gemetzel beendet war, wüteten die siegreichen Truppen in der Stadt, sie plünderten, brandschatzten und attackierten die wehrlosen Sklaven. »Es wurde nicht zwischen Muslimen, Juden und Christen unterschieden«, schreibt de Manault. »Die Mönche wurden getötet oder verletzt, die heiligen Gefäße wurden auf schändliche Art entweiht.« Auch Muhammad al-Qadiri berichtet von »massenhaften Plünderungen und Vergewaltigungen und anderen schändlichen Taten, die in der Kasbah geschahen«. Sogar dem Gouverneur und den höchsten Beamten der Stadt wurde keine Gnade gewährt. »[Sie] wurden mit Händen und Füßen an die Stadttore geschlagen«, schreibt Pellow, »und lebten noch drei Tage in dieser schrecklichen Lage.« Das Gewicht des Gouverneurs, der »ein beleibter Mann« war, zog derart an seinen Händen und Füßen, dass sie von den Nägeln rissen und er vom Tor fiel. Er hatte das Glück, dass mehrere Krummschwerter seinem Leiden ein Ende machten.
Die europäischen Sklaven befanden sich in einer verzweifelten Lage. Sie hatten keine Waffen, um sich zu verteidigen. »Wir glauben, dass wir den Heldenmut der Franzosen erwähnen müssen«, schreibt der Franzosede Manault. »Viele Christen sahen sich in dieser Unordnung gezwungen, ihre Religion zu ändern, aber nicht ein einziger Angehöriger dieser Nation verleugnete Jesus Christus.« Nachdem die Truppen Achmed ed-Dehebis die gesamte Stadt in ihre Gewalt gebracht hatten, wurden die überlebenden Sklaven gezwungen, die Straßen zu reinigen, um den triumphalen Einzug des Siegers vorzubereiten.
Achmed ed-Dehebi hatte im Kampf um Meknes eine gewaltige Zahl von Menschen getötet, aber eine Schlüsselfigur des Aufstands war nicht unter den Opfern. »Was
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