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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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Marabut der Besatzung mitgegeben hatte. Dies war ein ebenso feierlicher wie blutiger Akt. Joseph Pitts, ein englischer Gefangener, der Zeuge eines dieser Opfer geworden war, beschrieb es so: Zunächst trennte der Kapitän dem Schaf den Kopf ab. Sodann holte die Mannschaft »die Innereien heraus und wirft sie mit dem Kopf über Bord«. Nachdem die Beine und der Rumpf gehäutet waren, schnitt man den Körper in der Mitte auseinander. Die eine Hälfte wurde auf der Backbordseite, die andere an Steuerbord ins Meer geworfen. Der Zweck der Übung war Pitts zufolge »eine Art von Besänftigung«.
    Nachdem das Opfer gebracht war, machten sich die Korsaren daran, zu ihrer Beute aufzuschließen. Sie zeigten zunächst eine falsche Flagge, um nahe genug an ihre arglosen Opfer heranzukommen. Erst wenn das anzugreifende Schiff in Reichweite war, gaben die Korsaren ihre wahre Identität preis, indem sie ihre Flagge hissten. Wenn der Wind diese Banner aufschlug, wurde zumeist ein Arm erkennbar, der einen Krummsäbel hielt. In diesem Augenblick wurden die unglücklichen Seeleute von Entsetzen gepackt und ergaben sich zumeist ihrem Schicksal.
    Kapitän Pellow und seine Crew wurden von den beiden Schebecken aus Salé vollkommen überrumpelt. Wie sein Neffe Thomas später berichtete, hatte kein Mitglied der Mannschaft die Verfolger bemerkt, bis es zu spät war und sie »sehr unglücklich überrascht« wurden. Thomas Pellow schrieb kaum etwas über den folgenden Angriff, was möglicherweise daran lag, dass er erst fast ein Vierteljahrhundert später Gelegenheit erhielt, die Geschichte seiner Gefangenschaft aufzuzeichnen. Andere Opfer erinnerten sich an ihr Entsetzen beim Anblick der Korsaren, deren rasierte Köpfe, nackte Arme und blitzende Krummschwerter jeden Seemann vor Furcht erbeben ließen. Einem Schiffsjungen namens Joseph Pitts blieb das Erlebnis für immer ins Gedächtnis gebrannt. »Die Feinde schienen monströse, gefräßige Geschöpfe zu sein«, schrieb er, »und ich schrie ›Oh Herr! Ich fürchte, sie werden uns alle töten und verschlingen.‹« Doch sein Kapitän wusste genau, was ihnen bevorstand: »›Nein, mein Junge, … sie werden uns nach Algier bringen und verkaufen.‹«
    Die unbewaffnete
Francis
hatte keine Chance gegen die Korsarenschiffe. Dasselbe galt für Kapitän Fowlers Schiff, das ebenfalls keine Waffen an Bord hatte. Doch während diese beiden Schiffe »den geringen Widerstand leisteten, zu dem [sie] beide in der Lage waren«, erblickte ein scharfsichtiger Ausgucksposten ein sehr viel größeres Schiff, das mit vollen Segeln auf sie zusteuerte. Es war der Londoner Richard Ferris, ein alter Seebär, der ein Schiff von »sehr viel größerer Stärke« befehligte, das »zwanzig Mann Besatzung hatte und mit acht Drehbassen und acht Lafettengeschützen bestückt war«.
    Captain Ferris’ Schiff, die
Southwark
, war tatsächlich erheblich größer als die
Francis
und die
George
. Dieses wehrhafte Handelsschiff hatte Getreide von Portsmouth nach Livorno gebracht. Es hatte nicht weniger als 18 Mann an Bord, und der Kapitän war ein streitlustiger Bursche, der keinem Kampf aus dem Weg ging. Er hatte nicht vor zuzulassen, dass die
Francis
und die
George
nach Salé geschleppt wurden, sondern schwor, all seine Feuerkraft einzusetzen, um die Mannschaften der beiden gekaperten Schiffe zu retten.
    Die Korsaren von Salé waren nicht daran gewöhnt, dass ein Opfer Widerstand leistete. Ihre Strategie bestand darin, mit solcher Wildheit anzugreifen, dass der Feind überwältigt war, bevor er Zeit hatte, seine Waffen zu laden. In den vorangegangenen Jahrzehnten hatte nur eine Handvoll englischer Schiffe versucht, sich zu verteidigen, obwohl den Besatzungen bewusst war, dass auf die Gefangennahme mit Sicherheit das Sklavendasein folgen würde. Wer es wagte, sich den Korsaren zu widersetzen, machte Bekanntschaft mit einem wirklich furchtbaren Gegner. Im Jahr 1655 hatte der amerikanische Kolonist Abraham Browne von seinen Männern verlangt, gegen angreifende Freibeuter zu kämpfen. »Ich holte eine Flasche hervor«, schrieb er, »und ließ jedermann trinken, wobei ich sie nach Kräften anfeuerte.« Es folgte ein erbitterter Kampf, in dessen Verlauf Browne und seine Männer bald gezwungen waren, sich vom exponierten Achterdeck zurückzuziehen. »Sie deckten uns so dicht mit Musketenkugeln ein, dass wir nicht länger dort bleiben konnten.«
    Dies war die klassische Taktik der Korsaren von Salé, die auch in der Auseinandersetzung

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