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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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Korsaren genossen. Während die Kaufleute gewaltige Summen für die Ausstattung ihrer opulenten Häuser ausgaben, waren die Straßen und Gassen schmutzig und mit Abfall übersät. Als der Franzose Germain Mouette zu Beginn von Mulai Ismails Herrschaft als Sklave nach Salé gebracht worden war, hatte er mit Abscheu beobachtet, dass die Stadtmauern als öffentliche Latrinen dienten. »Viele Kothaufen sind so hoch wie die Mauern«, schrieb er, »und das würde es sehr leicht machen, in die Stadt einzudringen.« Andere berichteten über schmutzige und beengende Suks, die so schmal waren, »dass kaum ein Karren hindurch passt«. Viele Gebäude schienen dem Einsturz nahe, und sogar die Verteidigungsanlagen waren offenbar in einem erbärmlichen Zustand. Die Mauern waren nach Aussage eines englischen Zeugen »an vielen Stellen eingestürzt und aufgebrochen«, weshalb dieser Beobachter zu dem Schluss gelangte, dies sei »kein Ort von großer Stärke«.
    Kapitän John Pellow, sein Neffe und die anderen Gefangenen bekamen nun einen Vorgeschmack darauf, was es bedeutete, ein Sklave zu sein. Überall in der Berberei war es Brauch, den neu eintreffenden Gefangenen einen großen Eisenring mit Nieten am Knöchel zu befestigen. In Algier war an diesem anderthalb Pfund schweren Ring eine lange Eisenkette befestigt, die der Sklave hinter sich herschleifen musste. Die Sklavenhändler in Salé zwangen ihren Gefangenen oft noch härtere Bedingungen auf. Ein englischer Sklave berichtete, sein Entführer habe befohlen, »für jeden Sklaven Ketten mit einem Gewicht von 50 Pfund« anzufertigen.
    Bei der Ankunft wurden die neuen Gefangenen feierlich durch die Stadt geführt, um den feindseligen Einheimischen Gelegenheit zu geben,sie zu beschimpfen und zu erniedrigen. Als der englische Gefangene George Elliot an Land gebracht wurde, sah er sich von »mehreren hundert gemeinen Tagedieben und verkommenen Jungen« umgeben. Sie schlugen nach ihm und stießen »fürchterliche, barbarische Schreie« aus, und Elliot und seine Leidensgenossen wurden »wie eine Schafherde durch die Straßen getrieben«.
    Für den kleinen Thomas Pellow war diese öffentliche Demütigung eine besonders furchtbare Erfahrung: »Man kann sich unschwer vorstellen, welch trauriges Entsetzen und welche Furcht ich in einer so gefährlichen Lage empfand … Nachdem ich vor dem Tod gerettet worden war, erlebte ich nichts anderes als die noch schrecklicheren Qualen eines Sklaven.« So wie seine Kameraden von der
Francis
stand er immer noch unter Schock nach der Katastrophe, die er auf See durchlitten hatte, und nun wurden sie in einem »sehr unwürdigen und abgezehrten Zustand« in die berüchtigten
matamores
geführt.
    Die Matamores waren unterirdische Zellen, die Platz für 15 bis 20 Sklaven boten. Licht und Luft drangen nur durch ein kleines Eisengitter in der Decke in den Raum. Im Winter ergoss sich das Regenwasser durch diese Öffnung in die Zelle und setzte sie unter Wasser. Das vergitterte Loch in der Decke war der einzige Zugang zur Außenwelt. Damit die Sklaven ihr Verlies verlassen konnten, was selten vorkam, wurde ein Seil durch das Loch herabgelassen, an dem sie sich hochziehen mussten, wozu sie Muskeln einsetzen mussten, die sie oft seit Monaten nicht belastet hatten. Doch die Sklaven kamen nur selten in den Genuss frischer Luft. Unter furchtbaren hygienischen Bedingungen in den überfüllten Zellen zusammengepfercht, mussten diese bedauerlichen Geschöpfe lange Wochen bis zur nächsten Sklavenauktion ausharren.
    Viele Sklaven hinterließen beklemmende Schilderungen des Lebens in diesen Verliesen, aber nur in einem Bericht – in jenem von Germain Mouette – ist das schreckliche Leben in dieser Hölle genau beschrieben. Das Gewölbe des größten unterirdischen Verlieses von Salé, das oft für die Neuankömmlinge verwendet wurde, ruhte auf gemauerten Pfeilern. Es lag so tief, dass in den feuchten Wintermonaten oft das Abwasser durch den Lehmboden drang. »In diesem [Verlies] können sich die Christen zumeist nicht wie in den anderen auf den Boden legen«, schreibt Mouette, »da das Wasser in dem Raum sechs Monate im Jahr kniehoch steht.« Um nicht durchweicht zu werden, fertigten die Gefangenen »eineArt von Hängematten oder Liegen aus Seilen an, die sie an riesigen Nägeln eine über die andere hängen, wobei jene Gefangenen, die ganz unten liegen, mit dem Rücken fast das Wasser berühren.« Oft riss die Befestigung der obersten Hängematte, und dann fielen der

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