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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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darin schlafende Sklave »und alle unter ihm ins Wasser, wo sie die restliche Nacht ausharren müssen«.
    Die kleineren Verliese lagen nicht so tief in der Erde, aber sie waren stets extrem überfüllt. Mouette berichtet, in den Zellen habe es so wenig Platz gegeben, dass die Gefangenen gezwungen gewesen seien, sich in einem Kreis hinzulegen, so dass sich ihre Füße in der Mitte begegneten.«
    Kapitän Pellow und seine Mannschaft trafen in den schwülen Sommermonaten in Salé ein. Die Binsenmatten, die man ihnen als Schlafstellen überließ, waren von Feuchtigkeit durchtränkt. Mouette beschreibt diese Matten: Sie verströmten »einen widerwärtigen, durch die Feuchtigkeit der Erde verursachten Geruch, so dass die Luft in der Zelle unerträglich wird, wenn sich alle Sklaven darin befinden und es wärmer wird«. Die kleinsten Matamores waren üblicherweise »dreckig, stinkend und voller Ungeziefer«. Unter diesen Bedingungen war der Tod oft die willkommene Erlösung.
    Thomas Pellow wurde gemeinsam mit drei Kameraden von seinem Schiff – Lewis Davies, Thomas Goodman und Briant Clark – sowie 26 Männern von der
George
und der
Southwark
in eine dieser kleinen Zellen gesteckt. Nach kurzer Zeit gesellten sich 17 französische Gefangene sowie eine Gruppe von Sklaven aus anderen europäischen Ländern zu ihnen. »Drei Tage lang«, erzählt Pellow, »waren wird dort zusammengepfercht und erhielten von den Mauren nichts anderes als Brot und Wasser.« Doch diese Männer hatten großes Glück, denn einige europäische Kaufleute, die mit einer Sondergenehmigung in Salé Handel trieben, brachten ihnen Nahrungsmittel, was in ihrer schlechten Verfassung und trostlosen Lage ein großer Segen für sie war.
    Erschöpft, hungrig und in zerlumpte, vom Meersalz steife Kleidung gehüllt, erwarteten die Männer voller Furcht den Tag, an dem sie aus ihrer Zelle gezerrt und zum Verkauf angeboten würden. Der Sklavenmarkt von Salé war der größte und einträglichste an der marokkanischen Atlantikküste. Wie auf den vergleichbaren Märkten in Algier, Tunis und Tripolis fand dort ein reger Handel mit europäischen Sklaven statt, dievielfach von Händlern ersteigert wurden, die sie zum Verkauf an andere Orte brachten. Den Korsaren ging es bei den Auktionen natürlich darum, einen möglichst hohen Preis für ihre elenden Gefangenen zu erzielen. Die gesündesten Männer und die schönsten Frauen wurden ihnen von Privatleuten aus der Hand gerissen. Alte und Kranke hatten praktisch keinen Wert und wechselten für einen geringen Betrag den Besitzer. Ihre Käufer versuchten in den wenigen Lebensmonaten, die den Unglücklichen noch blieben, so viel wie möglich aus ihnen herauszuschinden.
    In Salé gab es zwei Sklavenmärkte. Der wichtigste Suk der Stadt war mittlerweile der am Nordufer des Flusses, aber es gab auch einen kleineren Markt am Südufer, der im Schatten des großartigen Udaia-Tors lag. Von diesem Marktplatz ist nichts erhalten geblieben. Ein knorriger Baum wirft seinen Schatten über die zerbrochenen Steinplatten, auf denen einst die Sklaven in Ketten standen, und eine weiße
Kubba
, ein mit einer Kuppel versehenes Grabmal, beherbergt den Schrein eines heiligen Mannes. Man braucht einige Vorstellungskraft, um sich die Szenen auszumalen, die sich dort vor etwa 300 Jahren abspielten.
    Die Zeugnisse von Menschen, die in Nordafrika als Sklaven gehalten wurden, liefern ein Bild dieses brutalen Geschäfts, in dem es keinerlei moralische Skrupel gab. In den Tagen, die einer Auktion vorausgingen, erhielten die kräftigsten Männer oft ungewöhnlich großzügige Rationen. Abraham Browne wurde »einmal und manchmal zweimal am Tag mit reichlich frischem Eidotter sowie mit gutem weißem Brot vom Markt« gefüttert. Er vermutete zu Recht, dass das Brot dazu diente, »[sie] für den Markt zu mästen, damit [sie] an dem Tag, an dem [sie] verkauft werden sollten, in guter Verfassung wären«. Im Morgengrauen des Auktionstages wurden die Sklaven aus ihren Verliesen geholt und auf den Marktplatz gebracht. »Wir wurden wie Vieh dorthin getrieben und feil geboten«, schrieb William Okeley, der in Algier versteigert wurde. »Ihre Grausamkeit ist groß, aber ihre Gier übertrifft ihre Grausamkeit noch.«
    Wenige Tage früher waren diese Männer noch die Herren ihres Schicksals gewesen. Nun wurden sie entblößt und von den Interessenten auf Herz und Nieren geprüft: Man ließ sie hüpfen und tänzeln, um ihre Beweglichkeit zu testen, und Fremde steckten

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