Weisses Gold
arbeiten und die Waffen aufbewahrt werden«. In dem gewaltigen Lager wurde die militärische Ausrüstung für das 150 000 Mann starke stehende Heer des Sultans aufbewahrt. Ein englischer Besucher erklärte später, das Lager sei »nahezu eine Viertelmeile lang« und mit »großen Mengen an Waffen in Kisten« gefüllt.
Thomas Pellow und die anderen Neuankömmlinge wurden »direkt damit beauftragt, die Waffen zu reinigen«. Mulai Ismail war sehr stolz auf sein Arsenal, das zu einem Gutteil von erbeuteten englischen Schiffen stammte. Der Sultan verlangte, jede einzelne Pike und Muskete in makellosem Zustand zu halten. An der Seite hunderter anderer europäischer Sklaven polierten Pellow und seine Kameraden vom Morgengrauen bis in die Abenddämmerung Waffen und reinigten Musketenschlösser. Sie arbeiteten in fast völliger Dunkelheit, denn das einzige Licht kam aus winzigen Löchern im hohen Deckengewölbe des Lagers.
Pellow blieb nicht lange in der Waffenkammer. Kurze Zeit nach seiner Ankunft wurde er von einem Gardisten von seinem Arbeitsplatz abgeholt. »Ich wurde aus dem Arsenal geholt, denn der König hatte mich Mulai Sfa geschenkt, einem seiner Lieblingssöhne.«
Dies war das Schlimmste, was dem Jungen passieren konnte. Mulai es-Sfa war ein ausgesprochen widerwärtiger Zeitgenosse, der seine europäischen Sklaven verachtete und niederträchtig behandelte. Es ist nicht klar, warum er den jungen Thomas Pellow für seinen Haushalt ausgewählt hatte, denn er brauchte offenbar keine weiteren Sklaven. Pellow wurde mit überflüssigen Verrichtungen betraut, und lief »von morgens bis abends hinter [Mulai es-Sfas] Pferd her«.
Mulai es-Sfa hatte ein wachsames Auge auf seinen neuen Sklaven und bemerkte bald, dass dieser Junge ungewöhnlich aufgeweckt war. Anstatt Thomas Pellow wie seine anderen Sklaven zu misshandeln, versuchte der Sohn des Sultans, den Jungen dazu zu bewegen, zum Islam überzutreten. »Er drängte mich immer wieder, ich solle ein Maure werden, und sagte mir, wenn ich das täte, würde ich ein schönes Pferd erhalten und wie einer seiner geschätzten Freunde leben.« Aber Pellow weigerte sich standhaft zu konvertieren. Er war von seinen Eltern im protestantischen Glauben erzogen worden und fand die Idee der Apostasie entsetzlich, selbst wenn sie ihm eine bessere Behandlung gesichert hätte.
Mulai es-Sfa reagierte mit wachsender Verärgerung auf Pellows Halsstarrigkeit und versuchte ihn zu bestechen, damit er konvertierte. Aber sein junger Sklave lehnte diesen Schritt weiterhin entschieden ab: »Ich pflegte zu erwidern, dies sei seine einzige Forderung, der ich nicht bereitwillig nachkommen könne, und ich hoffte, dass es ihm in seiner großen Güte gefallen werde, diesen Gedanken für alle Zukunft aufzugeben.« Pellow war »fest entschlossen, [s]einen christlichen Glauben nichtaufzugeben«, und er wollte der Forderung seines Herrn nicht nachgeben, »welche Folgen dies auch immer haben mochte«.
Diese Widerborstigkeit reizte Mulai es-Sfa, der daran gewöhnt war, dass seine Sklaven gehorchten. Als sich Pellow wieder einmal geweigert hatte, zum Islam überzutreten, beschloss der Sohn des Sultans, seinen widerspenstigen Sklaven zu bestrafen: »Er sagte in wütendem und hochfahrendem Ton zu mir, ich solle mich auf die Folter vorbereiten, die die gerechte Strafe für meine Aufsässigkeit sei.« Pellow fürchtete um sein Leben und flehte seinen Herrn an, ihm die Prügel zu ersparen. Als Mulai es-Sfa seine Bitten mit einem geringschätzigen Lachen ablehnte, bettelte Pellow ihn »auf Knien an, seine Wut nicht an einem armen, hilflosen, unschuldigen Geschöpf auszutoben«. Aber Mulai es-Sfa hatte die Geduld mit dem sturen Kabinenjungen aus Cornwall endgültig verloren und wollte ihn für seinen Glauben leiden sehen. »Ohne mich einer weiteren Antwort zu würdigen, sperrte er mich in einem seiner Räume ein, wo er mich mehrere Monate in Ketten hielt und mich jeden Tag der härtesten Bastonade unterzog.«
Diese im Maghreb verbreitete Bestrafung verursachte dem Opfer furchtbare Qualen. Die Stockschläge auf die Fußsohlen sind in fast allen Berichten überlebender Sklaven erwähnt, und nur wenigen Gefangenen blieb diese Qual erspart. Für diese Foltermethode band man dem Sklaven die Fußgelenke mit einem Strick zusammen und hängte ihn mit dem Kopf nach unten auf, so dass seine Schultern gerade noch den Boden berührten. Der Brite William Okeley, der seine Gefangenschaft in Algier verbrachte, berichtete: »Dann
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