Weisses Gold
Ernährung war nicht das Einzige, worunter die Mannschaft der
Francis
litt. Die Neuankömmlinge stellten rasch fest, dass die zu ihrer Bewachung abgestellten schwarzen Sklaven extrem gewalttätig waren. Der Aufseher der britischen Gefangenen lebte in einer kleinen Hütte beim Haupttor des Sklavenpferchs. Er war für die Wahrung der Disziplin und für die Bestrafungen verantwortlich und kontrollierte die von ihm beaufsichtigten Sklaven strikt. »[Er] schließt sie jeden Abend ein und zählt sie am Morgen ab«, schrieb John Whitehead. Er weckte die Männer bei Tagesanbruch und brachte sie zu den »Treibern oder Aufsehern, die sie zu ihrem Arbeitsplatz führen, wo sie so lange arbeiten, bis die Sterne am Abendhimmel erscheinen«.
Die schwarzen Wärter hatten uneingeschränkte Macht über die ihnen anvertrauten Sklaven. Die meisten von ihnen hatte Mulai Ismail nach ihrer Körperkraft und ihrer Bereitschaft zur Züchtigung der Sklaven persönlich ausgewählt. Germain Mouette liefert eine lebhafte Beschreibung seiner ersten Begegnung mit dem Bewacher der französischen Sklaven, der es geradezu liebte, den Männern das Leben zur Hölle zu machen. Der Wärter war »ein Schwarzer von beeindruckend hohem Wuchs und Furcht einflößendem Aussehen, und seine Stimme war so fürchterlich wie die des Zerberus«. Er sorgte für strengste Disziplin und hatte stets »einen seiner Größe entsprechenden Knüppel in der Hand, mit dem er jeden von uns begrüßte, und dann führte er uns in die Lagerhäuser, wo wir uns eine Spitzhacke von außergewöhnlichem Gewicht nehmen mussten«.
Mouettes Aufseher pflegte die Sklaven in der Nacht anzuketten und hatte ein sadistisches Vergnügen daran, die französischen Gefangenen zu peinigen. »In unseren Gefängnissen war in der Nacht nichts außer dem jämmerlichen Stöhnen zu hören, das seinen Ursprung in den von den Schlägen herrührenden Qualen hatte.« Im Morgengrauen erschien der Wärter mit seinem Knüppel in der Tür und rief die Männer zur Arbeit. »Seine Stimme erfüllte uns mit solchem Schrecken«, berichtet Mouette, »dass jeder von uns in dem Augenblick, in dem wir ihn am Morgen
› eoua-y-alla crusion
‹ schreien hörten, das heißt ›Schnell heraus mit euch‹, losstürmte, um als Erster bei der Tür zu sein, denn der Letzte bekam stets seinen Knüppel zu spüren.«
Die ständigen Prügel, die erbärmliche Ernährung und die verschmutzten Unterkünfte hatten zur Folge, dass viele Männer krank wurden. Mulai Ismail verlangte, dass auch die kranken Sklaven arbeiteten – nur wer sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, durfte sich in der kleinen Krankenstation auf dem Gelände des Sklavenpferchs ausruhen. Dieses Gebäude war nach 1690 errichtet worden, als der Sultan dem spanischen König die Erlaubnis erteilt hatte, eine kleine Ordensniederlassung im Quartier der Gefangenen einzurichten. In diesem Lazarett waren teilweise zwölf Franziskanermönche tätig, für deren Sicherheit der Sultan garantierte, solange der spanische König ein Schutzgeld für sie zahlte.
Doch selbst diejenigen, die so entkräftet waren, dass sie in die Krankenstation geschickt wurden, kamen nicht in den Genuss kleiner Privilegien. »Es ergeht ihnen in der Krankheit nicht besser als in der Gesundheit«, schreibt Mouette. »Die normale Ration für die Sklaven des Königs ist auf einen Napf Mehl und ein wenig Öl beschränkt.« Auch die Kranken mussten Arbeiten verrichten und hatten sehr wenig Zeit, um sich zu erholen. »Es wird ihnen keine Ruhe gegönnt, bis man sieht, dass sie nicht mehr imstande sind, eine Hand oder einen Fuß zu rühren … und dass sie sich vor Schwäche nicht mehr erheben können.« Der Franzose beobachtete, dass viele Sklaven furchtbare Angst vor einer Behandlung durch die einheimischen Ärzte hatten, deren Heilmethoden primitiv und schmerzhaft waren. »Beklagt sich ein Sklave über Schmerzen in seinem Körper«, berichtet Mouette, »so verwenden sie Eisenstangen, mit einem Knopf von der Größe einer Walnuss am Ende, den sie ins Feuer halten, bis er rot glüht, um den gequälten Patienten anschließend an verschiedenen Körperteilen damit zu verbrennen.«
Mulai Ismail zeigte kaum Mitgefühl mit Sklaven, die krank wurden, sondern schlug sie oft, weil sie nicht so hart wie ihre gesünderen Kameraden arbeiteten. Einmal erlitt er einen Tobsuchtsanfall, als er erfuhr, dass seine Bauvorhaben nicht wie geplant vorankamen, weil so viele kranke Sklaven völlig entkräftet waren. »Auf
Weitere Kostenlose Bücher