Weisses Gold
Befehl des Fürsten«, berichtete Francis Brooks, »machten sich seine Neger daran, sie zu heilen und dort [aus der Krankenstation] herauszuschleifen.« Die kranken Sklaven wurden dem Sultan vorgeführt, der kein Erbarmen mit ihnen kannte. »Als sie in dieser schwachen und elenden Verfassung nicht auf die Beine kamen, nachdem man sie vor ihn geschleift hatte, tötete er auf der Stelle sieben von ihnen und verwandelte den Ort in ein Schlachthaus.«
Kapitän Pellow und seine Mannschaft befanden sich erst wenige Wochen in Gefangenschaft, als drei Mitglieder der Crew schwer erkrankten. Es was klar, dass sie kaum eine Chance hatten zu überleben, und ihren Kameraden blieb nichts anderes, als angsterfüllt zuzusehen, wie sie eines langsamen Todes starben. John Willdon schrieb ein verzweifeltes Bittgesuch nach England und warnte, es werde bald keine überlebenden englischen Sklaven in Meknes mehr gegeben, sollte nicht innerhalb weniger Wochen ein Botschafter an den Hof des Sultans geschickt werden: »Wenn er nicht bald kommt, mag er gleich bleiben, wo er ist, denn wir haben ein Leiden, das als starke Hitze bezeichnet wird, und fast jeden Tag stirbt einer unserer Männer aus Mangel am Nötigsten.«
Willdons Warnung erwies sich als geradezu prophetisch. Als Erster starb Kapitän Richard Ferris von der
Southwark
im September 1716. Kurz darauf waren die Seeleute John Osborne und John Foster am Ende ihrer Kräfte, und Matthew Elliot von der
George
erlag im folgenden Frühjahr einer schweren Krankheit. Etwa um dieselbe Zeit starb auch Briant Clarke, einer der Kameraden Thomas Pellows von der
Francis
. Wenige Tage später folgten ihm Kapitän Robert Fowler von der
George
und John Dunnal von der
Francis
ins Grab.
John Dunnal war bei seinen Kameraden sehr beliebt gewesen, und die Männer trauerten um ihn. Bei seinem Begräbnis hielt Kapitän John Pellow eine bewegende Grabrede. Er wusste, dass viele britische Seeleute den Sklavenpferch von Meknes nicht lebend verlassen würden. Thomas Pellow erhielt die Erlaubnis, an der kleinen Gedenkfeier für Dunnal teilzunehmen, und hörte mit großer Rührung die Worte seines Verwandten: »Ich werde die zarten Worte meines Onkels bei der Beerdigung nie vergessen. Als der Leichnam zu Grabe getragen wurde und niemand bereit stand, die christliche Grabrede zu halten, nahm mein Onkel dies auf sich.«
Kapitän Pellow begann, die Andacht zu halten, aber die Monate der Gefangenschaft und das überwältigende Gefühl des Verlusts überstiegen seine Kräfte. Er brach während der Lesung aus der Bibel zusammen. »Er brach in Tränen aus und war nicht imstande fortzufahren.« Der Kapitän war derart überwältigt, dass er die Bibel an ein anderes Besatzungsmitglied weiterreichen musste. »Ich sah nie eine traurigere Zusammenkunft«, schreibt Thomas Pellow. »Jedermann wurde angesteckt, und alle standen lange Zeit in Todesstille da, überwältigt von der Trauer.«
Am Ende der kleinen Trauerfeier wurde Dunnals Leichnam in die Erde gelegt. Die Begräbnisstelle, die ein Stück von den Stadtmauern entfernt lag, war erst vor wenigen Jahren geweiht worden; bis dahin waren die christlichen Sklaven des Sultans einfach in der Nähe des Befestigungswalls verbrannt worden. Doch nachdem der Sultan entschieden hatte, seine Palastgärten auf den Friedhof für die Christen auszuweiten, ordnete er an, dass »das Erdreich sechs Fuß tief ausgehoben und eine Dreiviertelleuga von dort weggeschafft wurde«, wie Pater Busnot berichtet. Von den 5000 christlichen Sklaven, die für diese Arbeit eingesetzt wurden, die fast neun Tage lang dauerte, »starben 50 an dem Gestank der erst kürzlich bestatteten Leichen«.
Die schwarzen Aufseher führten ein sorgfältiges Register der ihnen anvertrauten Sklaven und achteten genau darauf, jeden Todesfall festzuhalten. Diese täglichen Listen sind verloren gegangen, und die Aufzeichnungen, die bis heute überdauert haben, sind leider unvollständig. Aus den Berichten von Botschaftern, Geistlichen und Gefangenen lässt sich schließen, dass es in Meknes meist um die 5000 Sklaven gab. Aber in den arabischen Quellen finden sich erschreckend höhere Zahlen. Im 19. Jahrhundert studierte der marokkanische Historiker Achmed es-Sajjani die königlichen Archive und stellte fest, dass in Meknes stets mindestens 25 000 weiße Sklaven gehalten wurden. Wenn diese Zahl stimmt, so lebten dort etwa so viele Sklaven wie in Algier.
Jedes Mal, wenn eine spanische Garnison fiel, füllten sich die
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