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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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zum Gouverneur für die Region »an der Grenze zu Guinea«.
    Carr war ein doppelzüngiger Mann, dessen größtes Talent in der Selbsterhaltung lag. Braithwaite beschrieb ihn als »einen sehr schönen Mann«, als »sehr erfinderisch«: »Auf uns machte er den Eindruck, als bedaure er seine Lage sehr, und er erklärte, er sei ein Christ wie eh und je«. Nach Jahren im Dienst des Sultans war er ein gebrochener Mann, der oft zur Flasche griff. »Er trank sehr hart mit uns und erklärte uns, dass er den Mut verloren hätte, wenn er sich nicht hin und wieder eingeschlossen und dem Wein kräftig zugesprochen hätte, da er sich immer wieder daran erinnere, dass er seine Heimat und seine Freunde für immer verloren habe.« Carr war der typische Renegat: Er sehnte sich nach der Heimat, wusste jedoch, dass kaum eine Aussicht auf eine Heimkehr bestand.
    Nur wenige Apostaten gewannen das Vertrauen von Mulai Ismail. Jene, die in wichtige Positionen aufstiegen, ließen sich rasch durch ihre neue Macht korrumpieren. Ein spanischer Chirurg namens Laureano wandte sich gegen seine ehemaligen Kameraden, nachdem er zum persönlichen Diener des Sultans ernannt worden war. Er trat zum Islam über, änderte seinen Namen in Sidi Achmet und nahm eine boshafte Haltung gegenüber anderen Europäern ein. »Seine Physiognomie ist sehr schlecht, sein Herz falsch, sein Verhalten brutal und gottlos, und er empfindet tiefe Feindschaft gegenüber den Christen«, steht bei Vater Busnot zu lesen. Den besonders hartherzigen Renegaten wurde die Aufsicht über die christlichen Sklaven anvertraut, auf die sie mit größter Verachtung herabblickten. Die Schuldgefühle wegen ihres Abfalls vom eigenen Glauben dürften zu ihrer Brutalität beigetragen haben, aber vielleicht waren sie auch durch den regelmäßigen Anblick extremer Grausamkeit abgestumpft. Laut Aussage eines Sklaven, dessen Name nicht bekannt ist, konnte ein europäischer Gefangener kein schlimmeres Schicksal erleiden als das, »von einem der eigenen Leute, die Christen genannt werden, belogen, hintergangen und geschlagen« zu werden. Diese »so genannten Christen« – also die Apostaten – hatten sich ihre Stellung durch Schmeichelei und Täuschung erschlichen und denunzierten nun ehemalige Leidensgenossen, die sich um die Arbeit drückten. Sie wussten, dass sie ihre Position nur aufrechterhalten konnten, indem sie dafür sorgen, dass die anderen Sklaven extrem hart arbeiteten. Um das zu erreichen, griffen sie auf rücksichtslose und sadistische Methoden zurück. Sie übertrafen »selbst die Barbaren an Grausamkeit« und schlugen »ihre Brüder erbarmungslos«.
    Obwohl ihnen ihre Komplizenschaft mit dem Regime zahlreiche Privilegien sicherte, genossen sie nie eine vergleichbare Freiheit wie die Renegaten in Algier. Joseph Morgan, der als britischer Konsul in diese Stadt entsandt wurde, berichtete, dass »es in den Straßen von Algier ein gewohnter Anblick ist, dass Gruppen von Renegaten in der Öffentlichkeit auf Matten, kostbaren Teppichen und Kissen sitzen, Karten spielen und würfeln, Gitarre spielen und
a la christianesca
singen, wobei sie sich wie Schweine besaufen«. Die Einheimischen sagten über diese Renegaten, dass sie »weder Christen noch Muselmanen oder Juden sind; sie haben überhaupt keinen Glauben und keine Religion«.
    In Marokko hätte ein derart unerhörtes Benehmen einen Renegaten das Leben gekostet oder ihm die Folter oder die Verbannung in die Wüste gesichert. Im Jahr 1698 schickte Mulai Ismail 3000 unbotmäßige Renegaten in die Oasen des Tafilalt, wo sie in den Palmenhainen ihr Dasein fristen mussten. Bei einer anderen Gelegenheit verbannte er 1500 Renegaten in die an das Tafilalt angrenzende Wüstenregion Draa, wo sie sich angetrieben von den Aufsehern unter der sengenden Sonne selbst eine Stadt bauen mussten. So befanden sich diese Männer, die gegen ihren Willen zum Islam übergetreten waren, in einer kaum besseren Lage als ihre ehemaligen Kameraden in den Sklavenpferchen.
    Mulai Ismail war auf seine Renegaten angewiesen, um Aufstände niederzuschlagen, doch er brachte ihnen nie annähernd so großes Vertrauen entgegen wie seiner berüchtigten schwarzen Garde, den
buchari
. Auf diese ausgezeichneten Kämpfer stützte sich Mulai Ismails Herrschaft; aus ihren Reihen rekrutierte er seine Leibwache, seine Elitetruppen und seine Sklaventreiber. Die schwarze Garde war ihm blind ergeben und hervorragend ausgebildet, und diese Truppen schwankten nie in ihrer Ergebenheit

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