Weisses Gold
vor der Apostasie und verteidigte resolut das Christentum.
Als sich Prideaux im Jahr 1697 erstmals um eine Veröffentlichung seines Manuskripts bemüht hatte, antwortete ihm der Verleger angeblich, er wünsche sich »ein wenig mehr Humor darin«. Aber als er diese schlichte Mischung aus religiösem Eifer und Galle einer gründlicheren Prüfung unterzog, stellte er fest, dass er einen potenziellen Bestseller inden Händen hielt. Kurz vor der Veröffentlichung kamen Prideaux selbst Zweifel, dass er womöglich die Grenzen des Anstandes überschritten haben könnte. In der Einleitung erklärte er seinen Lesern, er habe nicht versucht, die Wahrheit mit böser Absicht zu verzerren, um den Islam »in den düstersten Farben zu zeichnen«. Er versicherte ihnen, dass es sich um ein faires und ausgewogenes Buch handle, dem langjährige Studien zugrunde lägen: »Ich habe darauf geachtet, alle Quellen am Rand anzuführen, und nenne am Ende des Buches alle Autoren, die ich zitiert habe.«
Doch jede Furcht vor der Reaktion der Öffentlichkeit auf sein Buch war unbegründet:
The True Nature of Imposture
war von Anfang an ein überwältigender Erfolg und erschien in kürzester Zeit in mehreren Neuauflagen. Die erste Ausgabe war schnell verkauft, und unverzüglich folgte ein Nachdruck. Auch dieser war bald vergriffen, weshalb eine dritte und vierte Auflage gedruckt wurden. Als an der Küste des Maghreb neue Spannungen aufflammten, bereitete Prideaux zwischen 1712 und 1718 vier weitere Ausgaben vor, und im Jahr 1723 folgte der nächste Nachdruck.
Auch in den nordamerikanischen Kolonien war die Furcht vor dem Islam Gegenstand hitziger Debatten, vor allem in Neuengland, das eine Reihe von Handelsschiffen und viele Seeleute an die Korsaren aus der Berberei verloren hatte. Cotton Mather, ein puritanischer Geistlicher aus Boston, war besonders fasziniert von der Frage der Apostasie. Er gestand den Sklaven in Marokko zu, dass sie unter schrecklichen Entbehrungen litten, vertrat jedoch die Ansicht, das körperliche Leid sei keine Entschuldigung für geistige Schwäche, sondern sollte eher den christlichen Glauben der Sklaven festigen.
Im Jahr 1698 (ein Jahr nach der Veröffentlichung von Prideaux’ Buch) schrieb Mather einen »Pastoralbrief an die englischen Gefangenen in Afrika«. Sein Ton war kompromisslos, und er fand kaum ein Wort des Trostes für diese geschundenen und gequälten Männer. »Wer gab euch in die Hände der afrikanischen Piraten?«, fragte er streng. »Es war der Herr, gegen den ihr euch versündigt hattet.« Er beharrte darauf, dass ihre Gottlosigkeit sie die Freiheit gekostet habe, und erinnerte sie daran, dass ihre Freunde wenig für ihre Freilassung tun könnten. »Ihr könnt nicht euren Eheleuten, euren Eltern, euren Lieben euer Leid klagen, sondern ihr müsst euch an Gott und unseren Herrn Jesus Christus wenden.«
Mather versicherte den Sklaven, es gehe ihm darum, sie zu trösten. Doch kaum jemand zweifelte am wahren Grund für diesen Hirtenbrief. Der Geistliche hatte zu seinem Entsetzen Berichte über die Apostasie gehört und war schockiert darüber, dass viele Männer zum Islam übergetreten waren. »Wir müssen euch mitteilen«, schrieb er, »dass uns sehr daran liegt, dass ihr bis zu eurem Tod am christlichen Glauben festhalten werdet, zu dem ihr euch bisher bekannt habt.« Er ermahnte diese gequälten Menschen, sie dürften, »welches Elend [sie] auch durchleiden mögen, in der eitlen Hoffnung auf Erlösung von diesem Elend keinesfalls der christlichen Religion den Rücken kehren«.
Sklaverei und Apostasie beschäftigten Mather noch viele Jahre, und selbst das zunehmende Alter bewirkte bei ihm keine Mäßigung. In seinem Sermon »Der Ruhm der Tugend« fällte er ein vernichtendes Urteil über jene, die dem Christentum den Rücken gekehrt hatten: »Die Renegaten waren zumeist jene, die unter den geringsten Widrigkeiten zu leiden hatten. Diese Gesellen genossen größeren Wohlstand und lebten in Herrenhäusern in Müßiggang und Überfluss und Freiheit; vor allem sie waren es, die den Gottlosen in die Schlinge gingen.«
Kaum jemand in den fernen nordamerikanischen Kolonien war am Verständnis der islamischen Welt interessiert, und selbst in Großbritannien hegten nur wenige den Wunsch, einen Blick hinter die Kulissen der Furcht einflößenden Welt der Berberei zu werfen. Ein einsamer Mahner versuchte, seine Stimme gegen die antiislamische Rhetorik zu erheben: Simon Ockley war ein brillanter Linguist, der
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