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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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glaubte, den Verstand zu verlieren.«
    Der alte John Pitts war derart entsetzt über die Nachricht, dass er sich an die Kirche wandte, in der Hoffnung, sie werde ihm dabei helfen, seine Seelenqualen zu überstehen. Die Geistlichen zeigten Verständnis für die Notlage seines Sohns und erklärten ihm, dass ihm die durch Folter erzwungene Apostasie das Recht auf Vergebung sichere und dass die Kirche ein eigenes Verfahren für die Wiederaufnahme der wenigen reuigen Renegaten entwickelt hatte, denen die Flucht aus der Berberei gelungen sei. Der so genannte »laudische Ritus« begann mit einer öffentlichen Demütigung des Renegaten, der »in einem weißen Büßerhemd und mit einem weißen Stab in der Hand« vor der Kirche seiner Heimatgemeinde niederknien musste. Der Büßer musste dieses Gewand drei Wochen lang tragen und »ein betrübtes Antlitz« zeigen. Nach Ablauf dieser Bußzeit wurden ihm, nachdem er sich selbst an die Brust geschlagen und den Sockel des Taufbeckens geküsst hatte, die Absolution und das heilige Sakrament erteilt.
    Der ältere Pitts war nicht davon überzeugt, dass ein Apostat – und sei es sein eigener Sohn – Vergebung verdiente, obwohl er sich widerwillig bereit erklärte, einen Brief zu schreiben, in dem er Joseph aufforderte, zum christlichen Glauben zurückzukehren, sofern dies irgend möglich sei. »Ich kann dir kaum schreiben, so sehr weine ich«, schrieb er, »…was sonst könnte ich dir sagen … ich werde meine Seele für die Rettung der deinigen opfern, wenn du pflichtschuldig und täglich bereust.«
    Es ist durchaus möglich, dass Elizabeth und Thomas Pellow ähnlich empfanden, als sie erfuhren, dass auch sie ihren Sohn an den Islam verloren hatten. Überdies bestand nun keine Aussicht mehr, dass ihn die Regierung freikaufen würde, da die Apostasie als Verzicht auf die britische Nationalität betrachtet wurde. Auch dürften die Pellows die Reaktion der Gemeinde auf diese Neuigkeit gefürchtet haben. Der Übertritt ihres Sohns zum Islam war eine Schande, die sie in der kleinen Ortschaft Penryn stigmatisieren konnte. Allerdings war das nicht immer der Fall.Noch vor einigen Jahrzehnten – in den Tagen der Großeltern der Pellows – hätte man eine Geschichte über die Apostasie und den Islam eher lustig gefunden.

    Das Gelächter war bis zum anderen Ende der Straße zu hören. Es schwoll zu einem lauten Dröhnen an, bevor es vom Trubel der Großstadt verschluckt wurde. Es war der Frühling des Jahres 1623, und im Phoenix-Theater in London drängten sich grinsende, zahnlose Zuschauer. Sie waren gekommen, um sich
The Renegado
anzusehen, eine derbe Farce, die in den Suks und auf den Sklavenmärkten der Berberei spielte. Dort wurde eine ebenso fremdartige wie komische Welt dargestellt, in der sich Eunuchen, Wesire und lüsterne Vizekönige tummelten. Und es wurden anzügliche Scherze über die Beschneidung gemacht. Als eine der Figuren dieses Stücks gefragt wird, ob er zum Islam übertreten wird, erwidert er, er hänge zu sehr an seiner Vorhaut:

    Ich würde ein Stück jenes Teils verlieren, das meine Liebste mich anwies heimzubringen, wie es sie verlassen hat; das ist ihr Wille, und ohne ihre Vollmacht wage ich nicht über diese Ware zu feilschen.

    The Renegado
wurde stets vor vollen Häusern gespielt. Es war keineswegs das einzige Stück, das in der Berberei angesiedelt war. Eine weitere bekannte Komödie trug den Titel
A Christian Turned Turk
. Doch bereits um 1640 war derart lüsterner Klamauk nicht mehr angebracht. Die wiederholten Angriffe auf die Küste von Cornwall – und die schrecklichen Untaten der Sklavenhändler – hatten zur Folge, dass die Welt des Islam nicht mehr sonderlich amüsant wirkte. Tausende Briten waren in Algier, Tunis, Tripolis und dem maghrebinischen Königreich zur Apostasie gezwungen worden, und die klassischen Scherze über Beschneidung, Kastration und Sodomie hatten viel von ihrem Unterhaltungswert verloren, vor allem, als immer mehr Frauen verschleppter Männer erfuhren, dass deren Besitzer »häufig von hinten mit ihren Gefangenen verkehren«.
    Die Sorgen dieser Frauen und die verbreitete Angst vor der islamischen Welt bemächtigten sich schließlich auch der höchsten Regierungsebenen. Am 19. März 1648 brachte ein frommer junger Oberst namens Anthony Weldon dem Staatsrat alarmierende Nachrichten. Er informierte die hohen Herren darüber, dass der Koran – der seit langem alsgleichermaßen blasphemisch und aufwieglerisch galt – erstmals ins

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