Weisses Gold
und ins Mittelmeer und hatte mit dem Handel von Wein, Holz und kostbaren Tuchen ein immenses Vermögen verdient. Und er hatte seinen Reichtum noch vergrößert, indem er in mehrere Zinnbergwerke in Cornwall investiert hatte, ein Geschäft, das ihm mächtige Freunde und ausgezeichnete Kontakte in der Londoner Geschäftswelt gesichert hatte.
Enys hatte gute Gründe, den Pellows bei ihren Bemühungen um die Unterstützung der Regierung zur Seite zu stehen. Er hatte sein Schiff verloren und durfte auf eine Entschädigung hoffen, wenn die Regierung mit dem marokkanischen Sultan verhandelte. Aber Enys war ein hart gesottener Geschäftsmann, der es in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen vorgezogen hatte, die Verluste abzuschreiben. Zudem hatte er stets eine hartherzige Gleichgültigkeit gegenüber den Männern gezeigt, die auf seinen Schiffen dienten. Im Jahr 1704 war eines seiner Schiffe von französischen Freibeutern gekapert worden. Als diese herausfanden, dass der Kapitän Anthony Dewstoe ein Nachbar von Enys war, erhoben sie eine hohe Lösegeldforderung von 65 Pfund. Kapitän Dewstoe hoffte darauf, dass ihn sein Freund auslösen würde, denn er wurde unter furchtbaren Bedingungen in Brest gefangen gehalten. Aber Enys weigerte sich zu zahlen, weil ihm das Lösegeld zu hoch schien. Er hatte sogar die Frechheit, seine Entscheidung in einem Schreiben an Dewstoe zu verteidigen: »Kein Mensch würde je ein Lösegeld zahlen, das den Wert des Schiffs übersteigt.« Obwohl Enys schließlich zahlte – und damit auch die Besatzung freikaufte – gab seine Haltung den Pellows wenig Anlass zur Hoffnung.
Elizabeth und Thomas stellten bald fest, dass sich die Geschichte wiederholte. Aus Enys’ Korrespondenz geht hervor, dass ihn der Verlust eines kleinen Schiffs wie der
Francis
nicht übermäßig beunruhigte. Er unternahm keinerlei Anstrengungen, ein Lösegeld aufzutreiben, das der Besatzung die Freiheit hätte sichern können. Er hatte die
Francis
als verlorenes Schiff abgeschrieben und sah keinen Sinn darin, Zeit und Geld in eine von vornherein verlorene Sache zu investieren. Doch die Pellows setzten all ihre Hoffnung in Enys und beteten weiter dafür, dass er sich in ihrem Namen an die Regierung wenden würde. Als er im Jahr 1719 starb, müssen sie das Gefühl gehabt haben, ihren einflussreichsten Fürsprecher verloren zu haben.
Nach dem Jahr 1717 erhielten die Familien der versklavten Männer keinerlei unmittelbare Nachrichten mehr aus Meknes, aber der Konsul Anthony Hatfeild gab ihnen gelegentlich einen Hinweis. In den ersten beiden Jahren in seinem neuen Amt hatte Hatfeild nicht viel über die englischen Gefangenen in den Sklavenpferchen in Erfahrung bringen können. Aber im Herbst 1719 erhielt er endlich eine Liste der Männer, die noch am Leben waren. Das war genau die Information, um die er sich seit seiner Ankunft in Tetuan bemüht hatte. Das Dokument bestätigte, dass in den vergangenen fünf Jahren 26 britische Schiffe gekapert worden waren, darunter zwei aus Neuengland und eines aus Neufundland. Auf der Liste standen die Namen von 188 Männern, die in den Sklavenpferchen von Meknes festgehalten wurden. Doch der Großteil der Verschleppten war gestorben, zum Islam übergetreten oder einfach verschollen.
Konsul Hatfeild leitete das Dokument nach London weiter, in der Hoffnung, es werde die Bemühungen um die Befreiung der Sklaven fördern. Es gibt keinen Beleg dafür, dass eine Abschrift der Liste ins West Country geschickt wurde, aber man kann davon ausgehen, dass sich die Nachricht von der Existenz dieser Aufstellung rasch bis Devon und Cornwall herumsprach. Wenn das zutrifft, erreichte Pellows Eltern eine bittere Nachricht. Neben dem Namen ihres Sohns standen die beiden Worte, die die Eltern eines verschleppten Seemanns besonders fürchteten: »Turn’d Moor.« Nun wussten sie, dass ihr einziger Sohn zum Islam übergetreten war.
Es kann nur vermutet werden, wie sie auf diese Nachricht reagierten, aber mit einiger Sicherheit waren sie tief getroffen. Die Entdeckung, dasssich der Sohn oder Ehemann von seinem Glauben abgewandt hatte, war stets ein Schock, und die wenigen Briefe, die aus jener Zeit erhalten geblieben sind, geben Aufschluss über die Angst und die Bittgebete von Menschen wie den Pellows. Als der in Algier festgehaltene Sklave Joseph Pitts seinem Vater mitteilte, dass er zum Islam übergetreten sei, war der alte Mann zutiefst betrübt. »Ich gestehe«, schrieb er, »dass ich, als ich es erfuhr,
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