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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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fiel zu Boden. Er wäre mit Sicherheit getötet worden, wären ihm seine Kameraden nicht in letzter Sekunde zu Hilfe geeilt und hätten ihn ins Lager zurückgetragen. In seinem rechten Oberschenkel steckte eine Musketenkugel.
    Zu Pellows Glück wurden die Truppen von abtrünnigen europäischen Ärzten begleitet, die sehr viel mehr von ihrem Handwerk verstanden als die einheimischen Kurpfuscher. »[Die Kugel] wurde rasch von einem deutschen Chirurgen entfernt, einem sehr fähigen und gewissenhaften Mann, der mich sehr sorgfältig versorgte.« Dennoch dauerte es 40 Tage, bis Pellow das Bein wieder belasten konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Aufständischen bereits besiegt. Sie »boten Verhandlungen an und flehten den General demütig an, ihr Leben zu verschonen«.
    General Mulai ech-Scherif gab ihnen keine klare Antwort. Er war erfreut über das Versprechen der Aufständischen, dem Sultan »unbeding ten Gehorsam« zu schwören, aber er lehnte es ab, ihnen Gnade zu garantieren. Stattdessen brüllte er sie an, weil sie ein »anmaßendes und schändliches« Verhalten an den Tag gelegt hätten, und sagte ihnen, sie dürften nicht erwarten, ihr Schicksal selbst bestimmen zu dürfen.
    Sobald sie die Waffen niedergelegt hatten, begann das Gemetzel. Mulai ech-Scherif befahl, alle Männer in Guslan zu enthaupten. Die abgetrennten Köpfe wollte er nach Meknes bringen, um sie seinem Vater feierlich zu überreichen. Aber der General hatte die Wirkung der glühenden Mittsommerhitze nicht bedacht. Wenige Stunden, nachdem die Köpfe abgehackt worden waren, begannen sie zu verwesen. »Sie verströmten einen derartigen Gestank«, schreibt Pellow, »dass er sich mit den Ohren begnügen musste, die allesamt abgeschnitten, mit Salz gepökelt und in Fässern verstaut wurden.« Die Entscheidung, sich dieser grauenhaften Trophäen zu entledigen, kam keinen Augenblick zu früh: »Hätten wirderart viele stinkende Köpfe so weit mit uns getragen, so hätte es wahrscheinlich die ganze Armee sehr gequält und wahrscheinlich eine Infektion verursacht.«
    In Meknes wurde den Truppen ein triumphaler Empfang bereitet. »[Mulai Ismail] war sehr zufrieden mit den Ohren«, berichtet Pellow. Der Anblick der Köpfe »hätte ihm großes Vergnügen bereitet, aber da sie stanken, … dachte er, dass es viel besser gewesen sei, sie zurückzulassen«. Der Sultan befahl, die Salzfässer zu öffnen und die Ohren herauszuholen, damit er sie sich genauer ansehen konnte. Er hatte die Absicht, sie aufzubewahren und bei Gelegenheit einige davon an Stammesfürsten zu schicken, die im Verdacht standen, einen Aufstand zu planen. Doch sie gefielen ihm so gut, dass er beschloss, sie für sich zu behalten: »Schließlich wurden sie alle auf Schnüre aufgezogen und an den Stadtmauern aufgehängt.«

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    9
Am Hof Mulai Ismails
    Konsul Anthony Hatfeild wollte Marokko verlassen. Er konnte die herablassende Behandlung durch die Kaids von Mulai Ismail nicht mehr ertragen und litt darunter, dass er in der Heimat als unfähig kritisiert wurde, weil es ihm nicht gelang, die britischen Sklaven heimzuholen. Noch schlimmer war, dass ihm das Geld ausgegangen war. Die Minister in London erwarteten von ihm, dass er mit einem als »Consulage« bezeichneten Zoll sein Auskommen fand, den er auf alle in Tetuan angelandeten Güter aus England erheben durfte. In der Theorie war ihm damit ein großzügiges Einkommen sicher, aber in der Praxis lagen die Dinge anders, denn nur wenige englische Schiffe wagten es, Tetuan anzulaufen. So dauerte es nicht lange, bis der Vertreter der britischen Krone mit leerer Geldbörse dastand.
    Mulai Ismails Beamte machten sich darüber lustig, dass Hatfeild kaum genug Geld hatte, um sich zu ernähren. Wenn andere Länder einen Konsul nach Marokko entsandten, statteten sie ihn mit ausreichenden Mitteln aus, um ihm ein angemessenes Auftreten zu ermöglichen. Doch die Briten schienen sich damit zufrieden zu geben, ihre untersten Chargen zu entsenden und ihnen nicht einmal genug Geld mitzugeben, um die örtlichen Regierungsbeamten zu bestechen. Der Gouverneur von Tetuan behandelte Hatfeild mit besonderer Geringschätzung und teilte Joseph Addison in einem Brief mit, der britische Konsul habe »einen groben Charakter, der seiner Sache abträglich ist«.
    Hatfeild antwortete mit einer Reihe von Schreiben, in denen er seinen Vorgesetzten in London über seine Notlage berichtete. Aber König Georg I. hatte sich nie für Marokko interessiert und dachte

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