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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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überhaupt nicht daran, Hatfeild Geld zu schicken. Der Konsul durfte weiter sein hartes Los in Tetuan beklagen. Als er eines Morgens – das genaue Datum des Vorfalls ist nicht bekannt – am Gefängnis der Stadt vorbeiging, sah er zu seinem Entsetzen einen an den Füßen aufgehängten Mann»mit Eisen an den Beinen, Kneifern auf der Nase, das Fleisch mit Scheren aufgeschnitten, und zwei Männer, die unentwegt auf ihn einprügelten«. Die Folterknechte quälten den Mann, bis er das Bewusstsein verlor.
    Allen Widrigkeiten zum Trotz sammelte Konsul Hatfeild weitere Informationen über die Bewegungen der Korsaren von Salé. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 1717 waren sie noch unverfrorener geworden und trieben bei der Jagd auf europäische Schiffe ungehindert ihr Unwesen im Nordatlantik. »Die Sallymen … streichen umher, wo es ihnen gefällt«, schrieb er in einem Brief nach London. Kurze Zeit später meldete er, die Korsaren hätten vier englische Schiffe gekapert und 50 Seeleute verschleppt. Die Piraten hätten auch ein irisches Schiff in ihre Gewalt gebracht, unter dessen Passagieren eine Frau sei: »Man teilt mir aus Meknes mit, dass die Frau … fast zu Tode gefoltert worden ist, um sie dazu zu bewegen, zum Islam überzutreten. Sie weigerte sich, aber unter der Folter brach sie zusammen und sagte, sie sei zur Muslimin geworden; sie ist im Serail und damit verloren.«
    Die Minister in Whitehall lasen Konsul Hatfeilds Depeschen mit einer Mischung aus Sorge und Ratlosigkeit. Die Situation hatte sich derart verschlechtert, dass einige Kaufleute aus den südwestlichen Grafschaften in einem Schreiben an das Parlament entschlossene Maßnahmen gefordert hatten. »Zahlreiche Personen sind in Salé gefangen«, hieß es darin, »wo sie unbeschreibliches Leid ertragen müssen.« Die Londoner Kaufleute, die ebenfalls vor dem Ruin standen, beklagten sich darüber, dass der einträgliche Handel mit Neufundland bedroht sei. Und aus Algier kamen besonders beunruhigende Nachrichten: Der neu ernannte Konsul Charles Hudson war vom dortigen Herrscher bedroht worden, der sich damit gebrüstet hatte, er werde alle britischen Untertanen versklaven, die auf Schiffen dienten, die aus mit Algier verfeindeten Nationen kamen. Den Ministern war klar, dass diese Situation nicht länger hingenommen werden konnte. Also begannen sie mit den Vorbereitungen für eine neue Mission nach Meknes.
    Joseph Addison hatte sein Amt im Frühjahr 1718 niedergelegt. Der neue Secretary of State for the Southern Department war James Cragg, ein fähiger Politiker, dem allgemein zugestanden wurde, er sei »der am besten für den Posten geeignete Mann im Königreich«. Cragg schwor, dass die neue Mission unter allen Umständen gelingen werde: Alle britischenund nordamerikanischen Sklaven würden befreit und wieder mit ihren Familien vereint werden.
    Mit der Leitung der Gesandtschaft wurde Commodore Charles Stewart betraut, ein selbstbewusster Schiffskapitän, der die Weltgewandtheit eines wahren Gentlemans mit einem forschen Auftreten verband. Obwohl erst 39 Jahre alt, trug Stewart bereits die Narben eines turbulenten Lebens auf See. Bereits seine erste Reise im Jahr 1697 wäre beinahe seine letzte gewesen. Sein Schiff war vor Dover von einem französischen Kriegsschiff angegriffen worden, und Stewart hatte in dem Gefecht eine Hand verloren. Doch er ließ sich von diesem Missgeschick nicht abschrecken, heuerte bald wieder auf einem Schiff an und zeichnete sich im Mittelmeer aus. Nun wurde ihm nach fünf Jahren im irischen Parlament die Leitung der Gesandtschaft anvertraut, die zu Mulai Ismails Hof geschickt wurde.
    Stewart war genau der richtige Mann für eine mit umfassenden Befugnissen ausgestattete Gesandtschaft nach Marokko. Er besaß Durchsetzungsvermögen und Charisma und verstand es, mit dem Gehabe und dem Glanz eines stolzen Botschafters aufzutreten. Zugleich beherrschte er die Kunst der Schmeichelei und konnte seine Widersacher mit einem Strom geschmeidiger Liebenswürdigkeiten entwaffnen. Am Hof des Sultans, wo die Speichelleckerei eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg war, sollte sich Stewart als ein Meister seines Fachs erweisen.
    An einem frischen Septembertag im Jahr 1720 stach sein Schiff, die
Winchester
, in Portsmouth in See. Das Schiff bot einen prächtigen Anblick, als es aus dem Hafen in den Solent glitt. Eine kräftige Brise blähte die Segel, und die Wimpel flatterten am Besanmast. Obwohl die
Winchester
nicht von den meisten anderen

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