Weisses Gold
sehen, und sie wurden nicht enttäuscht. »Es gab dort Orangen- und Zitronenbäume und kleine Aprikosen, die einen köstlichen Duft verströmten«, schreibt Windus. Die Gehwege wurden von feingliedrigen Spalieren gesäumt, an denen Blumen und Büsche empor kletterten. »Durch die Gitter und Fenster wuchsen große Mengen von Nelken und machten die Laube zu einem bezaubernden Ort.« Obwohl um diese Jahreszeit bereits eine extreme Hitze herrschte, war es in dem Garten kühl und angenehm. »Wir speisten unter einer Robinie, die uns einen erfrischenden Schatten spendete.«
Stewart und sein Gefolge livrierter Diener und Musiker genossen mehrere Wochen lang die Gastfreundschaft des Paschas. Erst Mitte Juni machten sie sich endlich auf den Weg nach Meknes. Aufgrund der zahlreichen Verzögerungen waren sie nun in der Sommerhitze unterwegs, zur ungünstigsten Reisezeit im Maghreb. »[Wir] litten auf der Reise unter einer großen Hitze«, schreibt Windus, »die täglich größer wurde.« Der Reichtum Tetuans wich bald verarmten Dörfern und improvisiertenLagern, in denen halb verhungerte Nomaden um das nackte Überleben kämpften. »Die Einwohner … scheinen ein elendes Leben zu führen … ihre Häuser bestehen lediglich aus Stöcken, über denen zum Schutz eine Binsenmatte oder ein Stück Stoff liegt.« Windus, der noch die frischen Eindrücke aus Tetuan vor Augen hatte, hielt das Leben dieser Menschen für »sehr schlimm«.
Bald hatte die Reisegesellschaft das funkelnde Mittelmeer weit hinter sich gelassen und durchquerte eine Ebene, die »so flach wie ein Bowling-Rasen« war. Die Hitze wurde nun unerträglich, und den Reisenden fiel das Atmen schwer, als sie durch den trockenen Staub ritten. »Dieser Tag war so übermäßig heiß und schwül«, berichtet Windus, »dass alles Metall von der Luft derart aufgeheizt wurde …, dass wir es kaum berühren konnten.«
Dennoch freuten sich die Reisenden sehr, als sie die römischen Ruinen von Volubilis erreichten, die nur 16 Meilen nordöstlich von Meknes lagen. Windus, der besonders großes Interesse an dieser historischen Stätte hatte, sprang vom Pferd, um in den Trümmern zu stöbern. Er fand wenig mehr als einige Fragmente von Inschriften und eine große Büste. Mulai Ismail hatte diesen Ort bereits plündern lassen, um Ornamente für seinen Palast zu beschaffen, und die Spuren seines Zerstörungswerks waren unübersehbar.
Man schickte einen Boten nach Meknes voraus, um den Sultan auf die Ankunft der britischen Gesandtschaft vorzubereiten. Pascha Hamet schien sich vor Mulai Ismails Antwort zu fürchten und äußerte die Sorge, man werde ihn für irgendein Fehlverhalten bestrafen, von dem er nichts ahnte. Dazu Windus: »Kein Mann tritt vor ihn, ohne größte Angst zu haben und zu zweifeln, ob er lebend zurückkehren wird.« Doch bei dieser Gelegenheit hätten die Nachrichten aus dem Palast nicht erfreulicher sein können. Der Sultan hatte den Boten freundlich empfangen, und dies wurde auch als gutes Omen für Stewarts Besuch gewertet. In der britischen Gesandtschaft machte sich Zuversicht breit, als ihre Mitglieder am Sonntag, dem 2. Juli, zum letzten Mal unter freiem Himmel schliefen. Nach einer strapaziösen Reise, die fast drei Wochen gedauert hatte, würden sie am folgenden Tag die Hauptstadt Meknes erreichen.
Pascha Hamet erwachte im Morgengrauen und drängte die Engländer, so rasch wie möglich das Lager abzubrechen, um die Stadt früh zu erreichen und der »gewaltigen Menschenmenge aus dem Weg zu gehen,der man begegnen würde, sollte man später am Tag dort eintreffen« (Windus). Im Galopp ritten sie durch das Bufrekrane-Tal und erreichten bei Sonnenaufgang die Stadt, wo sie von Beamten des Sultans in Empfang genommen und in vorläufige Unterkünfte gebracht wurden.
Der Pascha, der augenblicklich zum Sultan zitiert wurde, musste feststellen, dass Mulai Ismail an diesem Morgen mit übler Laune erwacht war. Er warf Pascha Hamet vor, gegenüber der spanischen Garnison von Ceuta nachlässig zu sein, und begann, »ihn ernsthaft zu bedrohen und ihm vorzuhalten, dass er als Befehlshaber ungeeignet sei«.
Er ließ sich eine Liste aller hochrangigen Beamten im Stab des Paschas bringen und begann, sie für tatsächliche und eingebildete Verbrechen zu bestrafen. Einer der Männer wurde von vier Mitgliedern der schwarzen Wache »geworfen«, und zwar so, dass er sich das Genick brach, als er auf den Boden aufschlug. Ein anderer namens Larbe Schott wurde beschuldigt, mit
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