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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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das Schlimmste.« Als sich die Wolke von Pulverdampf vom Paradeplatz verzog, fiel das Sonnenlicht auf das farbenfrohe Fest. Stewart und Windus erspähten »acht oder neun Schwarze in einer Reihe, die an Stangen mit großen vergoldeten Kugeln an der Spitze riesige Fahnen trugen«. Die leuchtenden Kostüme dieser Buchari waren ein spektakulärer Anblick, doch hinter ihnen ging eine noch prunkvollere Gruppe von Gardisten und Kaids. An der Spitze schritt einer der Söhne des Herrschers, der eine berittene Wache zur Seite hatte. Dann kamen eine herrliche Kalesche, der sechs schwarze Frauen vorausgingen, und ein imperialer Gardist, der »eine große rote Standarte mit einem Halbmond in der Mitte trug«. Direkt dahinter marschierten eine Truppe von Gardisten zu Fuß, »die alle in Leoparden- und Tigerfelle gehüllt waren«, sowie »eine Garde junger Schwarzer mit Lanzen und Feuerwaffen«. Sie alle feuerten immer wieder ihre Waffen ab und füllten den Paradeplatz mit dem beißenden Geruch verbrannten Pulvers.
    Schließlich traf der Sultan selbst ein. Er hielt eine Waffe in der Hand, »der Schirm drehte sich unentwegt über seinem Kopf, und die Neger fächerten ihm immerzu Luft zu und verscheuchten die Fliegen von seinem Pferd«. Als er sich Stewart und Windus näherte, die auf der Aussichtsplattform standen, richtete er seine Waffe auf einen marokkanischen Zuschauer, der ihm zu nahe stand. Windus erstarrte vor Schreck, doch bevor der Sultan auf den Mann schießen konnte, »ergriffen die Wachendiesen und schleppten ihn fort, möglicherweise, um ihn für seine Anmaßung hinzurichten«.
    Mulai Ismail war von seinen loyalsten Reitern umgeben, die »Rüstun gen trugen, die teilweise zur Gänze, teilweise nur am Helm vergoldet waren«. Ihnen folgte ein beeindruckendes Heer von Fußsoldaten, die Speere und Standarten, Streitäxte und Beile trugen.
    Erstaunt verfolgte Windus das Spektakel: In London hatte er nie einen derartigen Pomp und eine solche Pracht gesehen. Seine Verblüffung wuchs noch, als die Pferde des Sultans in Sichtweite kamen, die teilweise sehr große, »mit Gold beschlagene und mit Smaragden und anderen Edelsteinen besetzte Sättel« trugen. Die mit Pailletten, Lametta und Pompons behängten Tiere boten ein farbenfrohes, wenn auch ein wenig überladenes Spektakel.
    Der Aufmarsch war noch lange nicht vorüber, aber da alle Würdenträger vorüber gezogen waren, beschloss Stewart, die Tribüne zu verlassen. Er war hungrig und freute sich auf das herzhafte Festmahl, das ihm der spanische Prior versprochen hatte. Doch seine Vorfreude wich rasch der Enttäuschung. »Der Prior … tat sein Bestes«, schreibt Windus, »doch da seine Köche Spanier waren, war die Kost für unseren Geschmack traurig zubereitet, und sein Wein war sehr schlecht.« Als das Mittagessen beendet und der Festaufzug fast abgeschlossen war, kehrten Stewart und Windus in ihre Unterkünfte zurück und warteten darauf, dass der Sultan sie rufen ließ.
    Mulai Ismail hatte gründlich über die britischen Sklaven nachgedacht. Er wusste, dass er nun, da er den Friedensvertrag unterzeichnet hatte, kaum um ihre Freilassung herumkommen würde. Auch brauchte er das Lösegeld, das auf dem Weg nach Marokko war. Doch als er vor versammeltem Hof die Absicht bekundete, die Sklaven ziehen zu lassen – und als die Nachricht von seiner Entscheidung die Sklavenpferche erreichte – wurde von vollkommen unerwarteter Seite Widerspruch erhoben. Viele christliche Gefangene in Marokko, insbesondere die Spanier, »wünschten nicht, dass so viele Engländer weggebracht würden«. Sie fürchteten, dass sie deren Plätze in den Baukolonnen übernehmen müssten und mit der doppelten Arbeit belastet würden.
    Auch Neid spielte eine Rolle. Die anderen Sklaven »litten darunter, dass sich der König von Großbritannien derart darum bemühte, seine Untertanen aus der Sklaverei zu befreien, während sie selbst vernachlässigtwurden und keine Hoffnung auf Erlösung hatten«. In einem Brief an den Sultan äußerten sie ihre Befürchtungen – und erfuhren zu ihrer großen Überraschung, dass Mulai Ismail ihre Einschätzung teilte. Der bevorstehende Verlust zahlreicher Steinmetze und Zimmerleute bereitete ihm Sorge, und er empfahl Stewart, unverzüglich nach England zurückzukehren. Er gestand dem Botschafter lediglich zu, jene neun Sklaven mitzunehmen, die er ihm bereits überlassen hatte. Stewart war außer sich vor Wut über Mulai Ismails abrupten Sinneswandel. Er war empört über

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