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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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keine Ahnung, wo sie sich befanden. Sie glaubten, sie wären in das Innere der Palastanlage zurückgeführt worden, denn die Ornamente wurden immer prächtiger und prunkvoller. Schneeweißer Stuck war zu geschwungenen Arabesken geformt worden; Spandrillen und Kragstücke waren mit Strahlenkreuzen und Schnörkeln verziert. Die immer komplexeren Mosaike täuschten durch ihr geometrisches Wechselspiel das Auge und betäubten die Sinne. »Wir erreichten den innersten und schönsten Teil des Palastes«, schreibt Windus, »der ebenfalls einen Garten in der Mitte hat, der rundherum mit Zypressen und anderen Bäumen bepflanzt ist.« Dieses Bauwerk mussteein Vermögen gekostet haben, denn »alle Säulen dieses Gebäudes, das von gewaltiger Länge ist, sind aus Marmor, und die Bögen und Türen der Räume sind wunderbar gearbeitet«. Windus wurde darüber aufgeklärt, dass die Säulen römischen Ursprungs und aus Salé herbeigeschafft worden waren. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie aus der geplünderten Ruinenstadt Volubilis stammten, die die Besucher wenige Tage zuvor besucht hatten.
    Der Rundgang dauerte nun schon mehrere Stunden, und die Besucher waren erschöpft. In der glühenden Mittagshitze litten sie unter trockener Kehle und wunden Füßen. Daher waren sie froh, als ihr Führer vorschlug, eine Weile auszuruhen und die Besichtigung später fortzusetzen. »Eine der Königinnen schickte uns zur Erfrischung Datteln, Trauben, Melonen, Mandeln, Rosinen, Feigen und Süßigkeiten«, schreibt Windus, »und bat den Botschafter um Entschuldigung dafür, dass sie nichts Besseres habe, da wir uns im Ramadan befänden.«
    Die Gäste waren mehr als zufrieden mit den Platten voll saftiger Früchte: »Sie waren uns sehr willkommen, denn durch das Gehen waren wir ausgetrocknet, und so setzten wir uns in einem Säulengang nieder und wurden von den Mägden des Palastes bedient.« Windus war entzückt von diesen schönen Frauen (bei denen es sich um Sklavinnen handelte), deren filigrane Juwelen an ihren Gelenken klirrten und klimperten, als sie die Früchte servierten. »Ihre pechschwarze Haut wurde durch die schimmernden Armreifen und den Silberschmuck verschönert, den sie in großer Menge an Armen und Beinen trugen.« Um den Hals hingen ihnen schwere Goldketten, in den Ohren steckten »riesige Ringe«, und dazu kam sonstiger »afrikanischer Schmuck«.
    Stewart und Windus ruhten sich einige Stunden aus und setzten ihren Rundgang erst fort, als sich die schlimmste Hitze gelegt hatte. Man zeigte ihnen unterirdische Zisternen, Schatzkammern und Arsenale, die eine Vielzahl unterschiedlicher Waffen enthielten. »In diesen Magazinen findet man Spitzäxte, Streitäxte und Kriegsgerät jeder Art, zahlreiche Donnerbüchsen unterschiedlicher Größe, Gewehrläufe, in Papier eingewickelte Helme in Kisten.« Da waren Steinschlossgewehre und Hakenbüchsen, Hellebarden und Kriegsbeile. Windus stellte fest, dass viele dieser Waffen von europäischen Waffenbauern stammen und im Kampf erbeutet oder von skrupellosen Händlern an den Sultan verkauft worden sein mussten: »Nachdem wir einen sehr viel größeren Vorrat anWaffen gesehen hatten, als irgendjemand diesem Prinzen zugetraut hatte, wurden wir in eine Residenz geführt.« Sie befanden sich in Mulai Ismails Privatgemächern und standen vor seinem riesigen Bett, das nach Windus’ Einschätzung »Platz für etwa zwanzig Personen bot«.
    Die Führung durch den Palast nahm fast den ganzen Tag in Anspruch. Wann immer die Besucher glaubten, die Besichtigung sei nun vorüber, tauchte hinter der nächsten Ecke eine weitere Ansammlung von Palästen auf, die sie noch nicht gesehen hatten. Windus fand besonderen Gefallen an den Kubbas, den mit Kuppeldächern versehenen Heiligtümern. Das Dach eines dieser Dome war »in einer Himmelsfarbe bemalt, und goldene Sterne stellten das Firmament mit einer goldenen Sonne in der Mitte dar«. Eine andere Kubba beherbergte Geschenke europäischer Monarchen, darunter »sieben oder acht Kutschen … und seine liebsten Güter; in einer waren die schönen gläsernen Leuchter aufgehängt, die seine Hoheit, König Georg, dem Botschafter mitgegeben hatte«.
    Die Besucher kamen auch an einem »massiven« Gebäude mit einer schmucklosen noch nicht vollendeten Fassade vorbei. An diesem Ort wollte Mulai Ismail zur letzten Ruhe gebettet werden. »Es heißt, im Inneren hänge vom Dach eine Kette herab, an der sein Sarg hängen soll.«
    In der Palastanlage gab es noch viele

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