Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
schön sagt, wenn man versucht, aus dem Gesocks schlau zu werden, ist das genauso, als stecke man seine Hand in eine ungespülte Toilette.«
Er blickte wieder auf den Bericht, klappte dann seine Brille zusammen und steckte sie in die Brusttasche seines Hemdes.
»An der ganzen Sache ist was, das mir zu denken gibt, Dave. Ich weiß, daß es irgendeine Erklärung dafür gibt, aber irgendwie komme ich nicht drauf.«
»Manchmal ist es besser, über alles nicht zu viel nachzudenken. Lassen Sie einfach die Dinge ihren Lauf nehmen.« Ich verschloß die Hände hinter dem Nacken, gähnte und gab mir alle Mühe, möglichst unbeteiligt aus dem Fenster zu blicken.
»Nein, ich meine folgendes. Gouza ist eben erst in Iberia Parish grad noch mal so vom Haken geschlüpft. Ist dieser Bursche wirklich so verrückt, daß er prompt noch einen Killer auf einen unserer Leute losläßt, ihn auch noch bei Tagesanbruch zu seinem Haus schickt? Irgendwie ergibt das alles keinen Sinn, oder?«
»Ich wünschte, Gates wäre noch am Leben. Der könnte es uns sagen. Sonst fällt mir nichts dazu ein, Sheriff.«
»Wie auch immer, ich bin bloß froh, daß Ihnen da draußen nichts passiert ist. Ich seh’ Sie später noch. Vielleicht sollten Sie heimgehen und ein bißchen schlafen. Sie sehen aus, als wären Sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr ins Bett gekommen.«
Er ging zur Tür hinaus. Ich versuchte den Papierkram zu erledigen, der vor mir auf dem Schreibtisch lag, aber meine Augen brannten, und ich konnte mich nicht konzentrieren oder auch nur einen klaren Gedanken fassen. Schließlich stopfte ich alles in die unterste Schublade und spielte geistesabwesend mit den Büroklammern auf meiner Schreibtischunterlage.
Hatte ich den Sheriff angelogen? Die Frage stellte ich mir selbst. Nicht richtig. Aber die volle Wahrheit hatte ich auch nicht erzählt.
War mein Bericht unehrlich? Nein, schlimmer. Er verschwieg, daß sich noch ein weiterer Mord ereignet hatte.
Aber es gibt einfach Situationen, in denen gewisse Kompromisse unvermeidbar sind. Wenn ich in diesem Fall meiner beruflichen Verpflichtung voll nachkäme, hätte das zur Folge, daß sich mein Haus und meine Familie unversehens im Mittelpunkt einer morbiden Sensationsgeschichte wiederfänden, die in der Gemeinde noch jahrzehntelang für Gesprächsstoff sorgen würde, womit es Joey Gouza dann gelungen wäre, vor allem meiner Tochter einen psychologischen Schaden zuzufügen, der sich nie wiedergutmachen ließe. Der heilige Augustinus hatte einst gemahnt, daß wir die Wahrheit nie als Schwert gebrauchen sollten. Ich glaube, es gibt in unser aller Leben dunkle und schwache Momente, in denen jeder von uns mit Recht das Gefühl hat, als seien diese Worte eigens für ihn geschrieben worden.
Ich verließ das Büro und fuhr auf der eichengesäumten, unbefestigten Straße nach Hause, die entlang des Bayous verlief und direkt an meinem Dock vorbeiführte. Die ersten Regentropfen fielen vom sonnigen Himmel, so wie sie es an nahezu jedem Sommernachmittag gegen drei Uhr taten, und ich spürte richtig, wie die Luft stickiger wurde und mit einem Schlag auch merklich abkühlte, als das Barometer fiel, und Brassen und glubschäugige Barsche kamen zur Nahrungsaufnahme an den Rändern der Wasserrosen dicht an die Wasseroberfläche des Bayou. Ich kam an den Überresten des Zaungatters vorbei, das Jack Gates zu Schrott gefahren hatte, als er mit dem TransAm ins Zuckerrohrfeld gebraust war, und ich vermied es, meinen Blick auf den zerstörten Stromverteiler und das zerschossene Auto zu richten, den ein Abschleppwagen aus den Transformatoren herausgewuchtet und mit dem Dach nach unten in einem Haufen von Zuckerrohrresten liegengelassen hatte. Aber ich hatte nicht vor, mir über den Tod von Jack Gates Gedanken zu machen; ich hatte mich gestern schon vor meiner Höheren Macht offenbart und war fest entschlossen, die Ereignisse im Geiste nicht noch einmal durchzukauen. Außerdem hatte ich mit Bootsie und dem Sheriff schon genug Probleme, um nicht auf andere Gedanken kommen zu können. Und als ob das noch nicht reichte, tauchte vor mir ein Mann mit einem Pickup auf, der an den Bäumen entlang der Straße Poster von Bobby Earl mit Metallkrampen befestigte.
Als ich in meine Einfahrt bog, hatte er gerade eins am Stamm einer zweihundert Jahre alten Eiche am äußeren Rand meines Gartens glattgestrichen und in jedes Eck eine Krampe gehämmert. Ich schloß die Wagentür und ging auf ihn zu, die Hände in den
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