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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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sein Büro verließ, hörte ich noch, wie er die Kassette aus dem Recorder nahm, sie achtlos in die Schublade eines Metallaktenschranks fallen ließ und diese dann zuschlug.

Kapitel 16
    Den nächsten Tag nahm ich mir frei. Alafair und ich packten uns etwas zum Essen zusammen und paddelten mit einem Einbaum tief in das grüne Licht der Marsch, wo wir mit roten Würmern und Blinkern Sonnenfische und Stachelmakrelen angeln wollten. Zwischen den Bäumen war die Morgenluft feucht und kühl, und durch den Nebel hindurch, der in den dunklen Schatten vom Wasser aufstieg, hörte man die Breitmaulbarsche bei den Seerosen mit den Flossen schlagen, hörte man den Flügelschlag eines Reihers, der durch einen langen Baumkorridor dem Wasserlauf folgte und schließlich wie ein schwarzes Schriftzeichen in einem Sonnenlichtkegel am Ende des Kanals verschwand.
    Aber als ich das Paddel durch dunkles Wasser zog, es gegen eine nasse Zypressenwurzel schlagen hörte und dabei beobachtete, mit was für einem Ernst und einer Hingabe im Gesicht Alafair den Blinker mit dem Köder neben den Seerosen auswarf und langsam durch einen Brassenschwarm hindurchzog, da wurde mir mit einem Mal bewußt, daß es noch etwas anderes war, was mich in seinen Bann schlug. Mit den Jahren hatte ich gelernt, daß es manchmal völlig in Ordnung war, sich einfach vom Wind tragen zu lassen, dem Ernst der Welt für ein Weilchen zu entsagen, die furchtbare Verpflichtung, ständig sich selbst und die Welt zu definieren, einmal anderen zu überlassen.
    Gestern hatte ich Batist auf dem Bootssteg gesagt, daß Lyle Sonnier auch ihn zu dem Krabbenessen in Baton Rouge eingeladen hätte.
    »Wieso tut der einen schwarzen Mann einladen?« sagte er.
    »Weil er dich mag, weil er es gern hätte, wenn wir alle kommen.«
    Er kniff ein Auge zusammen und sah mich schief an.
    »Du bist sicher, daß er wirklich will, daß ich komme, Dave?«
    »Aber klar doch, sonst würde ich dich doch nicht fragen, Batist.«
    Er blickte mich an und ließ es sich durch den Kopf gehen.
    »Okay, klingt gut. Mit euch geh’ ich gerne«, sagte er.
    Als ich kehrtmachte, um zurück zum Haus zu gehen, fügte er noch hinzu: »Dave, warum willst du eigentlich hin? Ich hatte so das Gefühl, daß du die ganzen Sonniers am liebsten mit ein paar Steinen in einen Sack stecken tatst und in den Sumpf schmeißt.«
    Ich lächelte über seinen Scherz und gab ihm keine Antwort.
    Hatte ich in der Tat immer noch Schuldgefühle, weil ich Lyle den Befehl erteilt hatte, in einen Vietcongtunnel hinunterzuklettern, den wir genausogut in die Luft jagen und links hätten liegen lassen können? Oder fühlte ich mich Drew gegenüber verpflichtet wegen der kurzen Momente jugendlichen Sturm und Drangs, die wir in einer Sommernacht vor vielen Jahren auf dem Rücksitz meines Cabrios geteilt hatten? Oder waren meine Macken so selbstzerstörerisch, daß ich Weldons Probleme auf mich genommen hatte, nur weil ich in ihm ein Spiegelbild meiner selbst sah?
    Nein, das war es nicht.
    Ein Therapeut sagte mir einmal, daß der Mensch allein geboren wird und auch alleine stirbt.
    Das ist nicht wahr.
    Wir alle haben eine Art erweiterter Familie, Menschen, mit denen uns besondere geistige und emotionale Bande verbinden, die sofort zutage treten, wenn man sich begegnet. Die Personen, die mir am nächsten sind, haben sich seit jeher dadurch ausgezeichnet, daß sie in einer ganz bestimmten Form von der psychischen Norm abwichen. Sie sind Gezeichnete, Menschen, deren Psyche eine Verletzung zugefügt worden ist, die sie niemals ganz klar in Worte fassen können werden. Manchmal liegt ein messianischer Glanz in ihren Augen, manchmal blicken sie auch nur verstohlen um sich, als könne jeden Augenblick ein M1-Panzer durch die Trutzmauern ihrer Seele brechen. Es sind Menschen, die ihre Cabrios mit heruntergekurbeltem Faltdach in die Waschstraße fahren, die bei Psychiatern und Priestern hilflose Seufzer hervorrufen und staatliche Steuerprüfer sprachlos machen. Und es sind Menschen, die ein einfaches Stadtfest in ein militärisches Krisengebiet verwandeln können und sich selbst einen Schreck einjagen, wenn sie nachts aufwachen, weil sie der festen Überzeugung sind, daß sie vergessen haben, das Licht auszuschalten, bis ihnen dämmert, daß es vielleicht der eigene Kopf ist, der da im Dunkeln leuchtet.
    Aber solche Menschen retten uns vor uns selbst. Immer wenn ich einen Politiker oder hohen Militär höre und sehe, den Rücken gestärkt von einer Batterie

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