Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
amerikanischer Flaggen, der uns davon überzeugen will, wie richtig und angemessen eine grundsätzliche Politik oder Aktion ist, die andere, fremde Menschen in Mitleidenschaft ziehen wird; immer wenn ich fast schon selbst davon überzeugt bin, daß es durchaus angebracht sein mag, für einen höheren Zweck humanitäre Bedenken kurzzeitig außer acht zu lassen, werde ich stutzig. Und dann stelle ich mir selbst die Frage, was meine gestörten Freunde dazu sagen würden. Bis mir dämmert, daß dergleichen Rhetorik bei ihnen ohne Wirkung verpuffen würde, weil sie ihnen wohlbekannt war: Gerade diejenigen, die in ihrer Kindheit die härtesten Schläge einstecken mußten, haben am eigenen Leib nur zu oft erlebt, daß hochtrabende moralische Worte nur als Maske für schiere Grausamkeit dienen.
Deshalb ist es ganz gut, wenn man hin und wieder den Verstand einfach abschaltet und sich tief in das unstete, gebrochene grüne Licht einer Sumpflandschaft hineingleiten läßt, mit einem Kind als kundigem Führer, und sein Herz einfach von den äußeren Umständen leiten läßt.
An diesem Abend wollte Alafair mit den Nachbarskindern ins Kino gehen und anschließend bei ihnen übernachten. Daher machte Bootsie ihr ein frühes Abendessen, und gerade als der Tag ein wenig abkühlte, stiegen Bootsie, Batist und ich in ihren Wagen und fuhren in den länger werdenden Schatten auf der kleinen Landstraße am Bayou Teche entlang, durch St. Martinville hindurch, wo wir auf die Bundesstraße kamen, und dann weiter nach Baton Rouge.
Bei Port Allen überquerten wir den Mississippi, diesen mächtigen und breiten Fluß, und von der Brücke aus sah man das Regierungsgebäude und die Parks und die grünen Bäume in der Innenstadt von Baton Rouge, getaucht ins rötlichgelbe Licht der Sonne. Wir fuhren an den alten Lagerhäusern am Fluß vorbei, Ziegelbauten, die in Restaurants und Geschäfte umgewandelt und von der Industrie- und Handelskammer mit dem wohlklingenden Namen Catfish Town versehen worden waren (einen Block entfernt von einem Schwarzenviertel, mit Hütten aus ungestrichenem Zypressenholz, deren Veranden durchhingen und in deren Gärten nichts wuchs, wo in der Zeit der Reconstruction befreite Sklaven gelebt hatten). Dann bogen wir auf den Highland Drive, in Richtung des Campus der LSU, wo sich die Plakate zusehends mehrten, die für die politische Versammlung und das Grillfest von Bobby Earl warben.
An einer verstopften Kreuzung mußte ich abbremsen. Man hatte Richtungspfeile an Telefonmasten genagelt, die den Weg zum Veranstaltungsort, einem öffentlichen Park zwei Straßen weiter, wiesen. Viele der Wagen um uns herum hatten gelbe Bändchen um die Autoantennen gebunden und Bobby-Earl-Aufkleber an den Stoßstangen.
Ich spürte Bootsies Blick auf meinem Gesicht.
»Was ist?« sagte ich.
»Reg dich deswegen nicht auf«, sagte sie. »Das ist halt Louisiana. Denk nur an die Longs.«
»Das ist nicht das gleiche, Boots. Die Longs waren keine Rassisten. Sie haben sich nicht für einen Gesetzentwurf stark gemacht, der das Verprügeln von Kriegsdienstverweigerern zu einem 25-Dollar-Bußgelddelikt macht.«
»Wie auch immer, ich habe nicht vor, mir von einem solchen Menschen das Leben vermiesen zu lassen.«
»Klar, das ist wohl auch der Grund, weshalb du Alafair gesagt hast, daß Bobby Earl ein Scheißkerl ist.«
Ich hatte das Fenster runtergekurbelt. Ebenso der Pickup, der mit uns auf gleicher Höhe stand. Der Mann im Beifahrersitz, dessen Kautabak im Mund so fest wie ein Ziegel aussah, blickte mir unverhohlen ins Gesicht.
»Hast du ein Problem, Freundchen?« fragte ich.
Er kurbelte sein Fenster hoch und wandte den Blick starr nach vorne.
»Dave ...«, sagte Bootsie.
»Schon gut, schon gut, tut mir leid. Manchmal zweifle ich nur dran, daß die Demokratie eine so gute Idee ist.«
»Und so einer redet von Engstirnigkeit«, sagte sie.
»Hey, Dave, dieser Bobby Earl, der hat auch seine guten Seiten«, meldete sich Batist vom Rücksitz zu Wort.
»Wie bitte?« sagte ich.
»Weißt du, lange Zeit sind Schwarze nicht wählen gegangen. Aber jetzt tun sie’s. Jede Wette, daran hast du nicht gedacht.«
Bootsie lächelte und gab mir einen Knuff in die Nierengegend. Dann faßte sie herüber und streifte mir eine Haarsträhne aus dem Auge. Wie will man sich mit solchen Leuten streiten?
Lyle hatte sich viel Mühe gegeben. Er hatte überall in den Bäumen kleine Fähnchen aufgehängt, ein wunderbares Büffet mit Vorspeisen und Salaten
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