Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Mitglied im Lions Club, nicht aus politischen Gründen, sondern weil er an beidem aufrichtig Spaß hatte. Er war ein verantwortungsbewußter Mann, der alles wohl überlegte, und es war mir immer unangenehm, ihn zu belehren oder ihm nahelegen zu müssen, daß er in seiner Laufbahn als gewählter Vertreter von Recht und Ordnung in der Praxis noch viel lernen mußte und wahrscheinlich auch nie auslernen würde.
»Die süße Versuchung kommt meistens häppchenweise«, sagte ich. »Manchmal ist es so, daß ein Cop, der keine fünfzig Riesen nehmen würde, bei zwei eben ja sagt. Und eines Tages muß man dann feststellen, daß man tief drinsteckt, ohne daß man sich dran erinnert, wo man den Boden unter den Füßen verloren hat.«
Er trug eine große randlose Brille und sein Bauch ragte über den Revolvergurt hinaus. Durch das Fenster hinter seinem Schreibtisch konnte ich zwei schwarze Kapos vom Bezirksgefängnis sehen, die auf dem Parkplatz Streifenwagen einer gründlichen Wagenwäsche unterzogen. Er kratzte mit dem Fingernagel an den blauroten Äderchen seiner weichen Wange.
»Was meinen Sie, von wem es kommt?« fragte er.
»Von jemandem, der langfristige Pläne hat, jemandem, der immer darauf aus ist, einen Cop zu kaufen. Wahrscheinlich die Mafia oder jemand, der dazugehört.«
»Also nicht Bobby Earl?«
»Typen von der Sorte werden nur spendabel, wenn man sie dabei erwischt, wie sie ein Schaf bumsen. Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, daß wir es jetzt mit den Italienern zu tun haben.«
»Was meinen Sie, werden sie als nächstes tun?«
»Wenn ich von New Orleans fernbleibe, trudelt wahrscheinlich irgendwann noch ein Umschlag ein. Irgendwann bieten sie mir dann einen Job an – privater Sicherheitsdienst in einem ihrer Nachtclubs oder in einem Raum auf der Rennbahn, wo das Geld gezählt wird.«
Er steckte eine Zigarette in den Mund, ohne sie anzuzünden, und ließ sie in seinen Fingern kreisen.
»Ich habe kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache«, sagte er. »Aber ganz und gar nicht.«
»Warum?«
»Sie sollten Bobby Earl nicht unterschätzen. Vor zehn oder zwölf Jahren ist er mir ein paarmal über den Weg gelaufen, als er sich noch bevorzugt in Ku-Klux-Klan-Tracht zeigte. Das ist ein Bursche, der könnte die Öfen zum Singen bringen und dabei noch grinsen.«
»Mag sein. Aber ich habe noch nie einen von denen getroffen, der nicht in jeder Hinsicht abgrundtief feige war.«
»Vor der Autopsie hab’ ich mir Garretts Leiche angesehen. Fiel mir verdammt schwer, und ich war in Korea. Passen Sie gut auf sich auf, Dave.«
Er blickte mich starr über die randlosen Brillengläser hinweg an.
Gegen zwei Uhr nachmittags war es draußen fünfunddreißig Grad; das Sonnenlicht, das auf den Zement prallte, war so hell wie eine weiche Stichflamme; die Palmen wirkten im heißen Wind papieren und ausgedörrt; dabei fing mein eigentlicher Arbeitstag gerade erst an.
Ich versuchte es noch einmal bei Drew, und diesmal nahm sie ab. Ich wollte sie zur Rede stellen, ihr noch einmal vorhalten, wie wenig von ihr und Weldon in diesem Fall kam, und am liebsten hätte ich ihr die Schuld dafür gegeben, daß ich beim Mittagessen solche Schwierigkeiten mit Bootsie gehabt hatte. Tatsächlich waren meine ersten Worte am Telefon: »Wer war dieser Kerl in deiner Küche, Drew, und warum hast du’s der Polizei nicht gemeldet?«
Ich konnte hören, wie sie in die Sprechmuschel atmete.
»Das hat dir Lyle erzählt?« sagte sie.
»Genau wie Lyle mir alles erzählen kann, ohne daß er dabei versucht, mir eine phosphoreszierende Bibel anzudrehen. Eins muß ich dir sagen, Drew, ich habe die Einstellung deiner Familie satt bis obenhin. Ohne daß ich euch zu nahe treten will, aber ihr drei führt euch auf, als hättet ihr euch einen Schuß Drano gesetzt.«
Wieder war einen Augenblick lang Stille in der Leitung, dann hörte ich, wie sie zu weinen anfing.
»Drew?«
Aber sie heulte weiter, ohne mir eine Antwort zu geben, ein krampfhaftes, leises Schluchzen, das tief aus der Brust kam.
»Drew, es tut mir leid. Ich hatte den Kopf voll mit anderen Dingen und hab’ es an dir ausgelassen. Es tut mir ehrlich leid, was ich gesagt hab’. Es war gedankenlos und dumm.«
Ich drückte mit Daumen und Zeigefinger gegen meine Schläfen.
»Drew?«
Ich hörte sie schlucken und tief Luft holen.
»Manchmal hab’ ich einfach ein ziemliches Brett vor dem Kopf«, sagte ich. »Du weißt, daß ich dich immer bewundert habe. Und was Politik angeht, da hast du
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