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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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mehr Mut als jeder andere, den ich kenne.«
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Früher hatte ich immer noch eine Wahl. Aber jetzt nicht. Damit komme ich nicht zurecht.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Manchmal erwischt es einen kalt. So daß man keinen Ausweg hat. Bisher hab’ ich das immer vermieden.«
    »Willst du hierher ins Büro kommen? Oder soll ich zu dir kommen? Sag mir, was dir lieber ist.«
    »Ich weiß nicht, was mir lieber ist.«
    »Ich komme jetzt zu dir. Ist das in Ordnung?«
    »Ich muß erst noch das Hausmädchen heimbringen, und ich hab’ ihr versprochen, am Markt kurz haltzumachen. Kannst du so gegen vier?«
    »Klar.«
    »Und es macht dir wirklich nichts aus?«
    »Nein, selbstverständlich nicht.«
    »Du hast kein komisches Gefühl dabei?«
    »Nein, gar nicht. Unsinn. So darfst du gar nicht denken.«
    Nachdem ich aufgelegt hatte, blickte ich betreten auf den feuchten Abdruck, den meine Hand am Hörer hinterlassen hatte. Ich fragte mich, ob ihre Tränen ihrem Bruder oder ihr selbst galten. Aber welches Recht hatte ich denn, daß ich mich hier zum Richter aufschwang?
    O Gott , dachte ich bei mir.
    Ich war schon fast zur Tür hinaus, als mich der Mann in der Zentrale noch im Flur erwischte.
    »Geh an deinen Apparat«, sagte er. »Ein Sergeant vom First District in New Orleans wartet in der Leitung.«
    »Schreib auf, was er will. Ich ruf ihn dann zurück.«
    »Du gehst besser doch ran, Dave. Er sagt, daß jemand Cletus Purcel eine tierische Abreibung verpaßt hat.«
    Nach einem kurzen Gespräch mit dem Sergeant aus New Orleans, der mit dem Fall selbst nichts zu tun hatte und mir nicht viel mehr mitteilen konnte als Cletes Zimmernummer in dem kleinen Krankenhaus gleich hinter St. Charles und daß Clete nach mir verlangte und daß ihn jemand mit einem Bleirohr übel zugerichtet hatte, bat ich den Dienstleiter, einen uniformierten Deputy zu Drews Haus zu schicken und Bootsie anzurufen und ihr zu sagen, daß ich erst spät nach Hause kommen und sie aus New Orleans anrufen würde.
    Der Wind blies heiß durch die Fenster meines Pickups, als ich über den erhöhten Damm an der Atchafalaya-Marsch fuhr. Die Luft schmeckte metallisch, als sei der Ozongehalt besonders hoch, und der Geruch von toten Fischen, die an den Uferbänken kleiner Bauminseln angeschwemmt worden waren, und das salzige Meeresaroma, das vom Golf her kam, drangen mir in die Nase. Die Hitze ließ die Weiden ganz welk aussehen, und die wenigen Fischer, die da draußen ihr Glück versuchten, hatten ihre Boote in den warmen Schatten der Ölbohrinseln gesteuert, die überall in den Buchten verteilt waren.
    Ich mußte an eine Geschichte denken, einen der Tiefpunkte in meinem Leben, die sich vor fast fünfzehn Jahren ereignet hatte. Man hatte mich nach Las Vegas geschickt, um dort im County-Gefängnis einen Gefangenen abzuholen und ihn zurück nach New Orleans zu eskortieren. Aber es dauerte fast zwei Tage, bis der ganze bürokratische Kram endlich erledigt war, was mir schwer stank. Übellaunig war ich in brütender Hitze vom Gerichtsgebäude einen palmengesäumten Boulevard hinuntergegangen, bis ich zu einem Casino mit einer kühlen Bar kam, wo ich einen Wodka-Collins nach dem anderen in mich hineinschüttete, als sei es Limonade. Dann hatte ich einen Filmriß und ein Loch von sieben Stunden. Als ich gegen zehn Uhr abends draußen in der Wüste in einem Mietwagen wieder zu mir kam, waren mein Schädel wie mein Körper völlig taub und gefühllos. Ich wußte nicht mal, welcher Tag es war, gerade, als hätte man mich vom Scheitel bis zur Sohle mit Novocain vollgepumpt. In der Entfernung blinkte eingebettet in lila Berge grell die Neonstadt.
    Mein Hemd und meine Fingerknöchel waren blutverschmiert, und auf dem Wagenboden lag eine Frauenhandtasche. Meine Brieftasche war weg und mit ihr mein Geld, Reiseschecks, Kreditkarten, Papiere und schließlich auch meine Polizeimarke und meine .38 Special. Das einzige, woran ich mich erinnerte, war, daß ich mit einem Drink in der Hand von der Bar zu einem Siebzehn-und-Vier-Tisch gegangen war und mich dort zu einer überaus höflichen Gruppe von Casinogästen aus Ocala, Florida, gesetzt hatte.
    Ich zitterte am ganzen Körper, als ich wieder zurück zum Hotel fuhr, wo ich mir vom Zimmerservice Jim Beam bringen ließ, mit dem ich versuchte, mich wieder nüchtern zu trinken. Gegen Mitternacht fiel ich ins Delirium tremens. Als das rote Licht an meinem Telefon blinkte, glaubte ich, es wäre mal wieder soweit: Die

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