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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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nie ein Charakteristikum meiner späten Nächte gewesen, weder als praktizierender noch als trockener Alkoholiker.
    Weniger als eine Stunde später war ich auf dem Highland Drive, westlich von der Universität in Baton Rouge, und bog aus dem langen Eichenkorridor in eine Ziegelauffahrt, die ein Strohzaun und Rosenbüsche säumten. Die Auffahrt führte zu einem riesigen weißen Haus, das sich zwar allen Anschein zu geben suchte, eine alte Südstaatenvilla zu sein, aber doch eher so aussah, als sei es vor fünf Minuten als Kulisse für einen Hollywoodfilm gebaut worden. Das Holz der Haustür war rosa lackiert, die Messingeinlagen so glänzend und ominös wie Gold.
    Als er im Schlafanzug die Tür öffnete, drang ein Windstoß ins Innere des Hauses, der den Kronleuchter über seinem Kopf klirren und funkeln ließ.
    »Bootsie braucht deine Hilfe«, sagte ich. »Nein, so stimmt das eigentlich nicht. Ich brauche deine Hilfe. Für sie. Ich stehe am Abgrund, Lyle.«

Kapitel 10
    Am nächsten Morgen war Samstag, und eigentlich hatte ich den Tag frei, aber um neun rief der Dienstleiter an.
    »Was hast du mit diesen vier Typen vor, die Levy und Guillory angeschleppt haben?« fragte er.
    »Was für vier Typen?«
    »Die Penner, die Levy und Guillory in den Obdachlosenasylen aufgelesen haben. Levy hat gesagt, du wärst auf der Suche nach Kerlen, die sich an einem Häßlichkeitswettbewerb beteiligen könnten. Das sind ein paar echt schräge Vögel, die sie dir gebracht haben, Dave.«
    Das hatte ich völlig vergessen.
    »Wo sind sie jetzt?« sagte ich.
    »In der Ausnüchterungszelle.«
    »Und wie lange sind sie da schon?«
    »Seit gestern.«
    »Hol sie da raus. Ich bin gleich da.«
    Fünfzehn Minuten später war ich im Büro. Ich ging einen Korridor hinunter zu einer Zelle, wo die vier Männer geduldig auf einer einzelnen Holzbank auf mich warteten. In der Mitte des Zellenbodens war ein urinbeflecktes Abflußloch. Die Männer hatten alle das ausgezehrte Aussehen von Menschen, deren Leben sich auf einer direkten Linie zwischen der Blutbank und dem Schnapsladen abspielte. Wie die meisten richtigen Penner rochen sie irgendwie eigenartig nach Chemie, als hätten ihre Drüsen vor langer Zeit aufgehört, normal zu funktionieren, und sonderten jetzt nur noch ein synthetisches Substitut natürlicher Körperflüssigkeiten ab. Ich öffnete die Gittertür.
    Der Kopf des einen Mannes war völlig deformiert, auf der einen Seite aufgebrochen wie eine geknackte Walnuß; das Gesicht des zweiten war einer Hautkrankheit zum Opfer gefallen, die wie Krebsgeschwüre aussah; der dritte hatte eine schlimme Hasenscharte und praktisch kein Knorpelgewebe in der Nase; aber es war das Gesicht des vierten Mannes auf der Bank, das mich innerlich zusammenzucken ließ.
    »Habt ihr schon was gegessen?« sagte ich.
    Sie nickten, daß sie das hätten, alle, außer dem Mann am Ende der Bank. Seine Augen blinzelten kein einziges Mal und wichen nicht von meinem Gesicht.
    »Tut mir leid, was da passiert ist«, sagte ich. »Es war nicht meine Absicht, daß ihr eingesperrt werdet. Ich wollte nur mit euch reden, aber ich mußte aus der Stadt, und da sind meine Anweisungen wohl etwas durcheinandergeraten.«
    Sie gaben keine Antwort. Sie scharrten mit den Schuhen auf dem Betonboden und betrachteten ihre Handrücken. Dann sagte der Mann mit der Hautkrankheit: »Is nich so schlimm. Hier gibt’s Fernsehen.«
    »Egal, auf jeden Fall will ich mich bei euch entschuldigen«, sagte ich. »Ein Deputy wird euch wieder dahin fahren, wohin ihr wollt. Er gibt euch auch einen Gutschein für eine Mahlzeit in einem Café in der Stadt. Hier habt ihr meine Karte. Wenn einer von euch je ein oder zwei Dollar damit verdienen will, ein paar Boote abzuschmirgeln, braucht er nur diese Nummer anzurufen.«
    Sie erhoben sich wie ein Mann, um durch die offene Zellentür nach draußen zu gehen.
    »Hey, Kumpel, würdest du vielleicht noch mal kurz dableiben?« sagte ich zu dem letzten Mann auf der Bank.
    Er setzte sich gleichgültig wieder hin und begann, sich eine Zigarette zu drehen. Ich holte mir einen Stuhl aus dem Korridor und setzte mich ihm gegenüber. Sein ganzer Kopf sah aus, als hätte man ihn in einen Hochofen gesteckt. Die Ohren waren zu Stummeln heruntergebrannt; das haarlose rote Narbengewebe sah aus, als hätte man es wie Knetgummi mit einem Spachtel in einzelnen Lagen auf dem Knochen aufgetragen; ein Teil der Lippen war operativ entfernt worden, so daß Zähne und Zahnfleisch permanent

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