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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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laufender Kamera grapschte er jemandem in die Wampe, schüttelte den Speck wie Wackelpudding und prahlte dann, er habe diesen Mann gerade vom Krebs geheilt. Oder er ging zu einem, der im Rollstuhl saß, packte ihn bei den Beinen und hielt sie hoch, aber in einem komischen Winkel, so daß ein Bein kürzer als das andere aussah. Dann zog er beide Beine gerade, während er die ganze Zeit mit geschlossenen Augen wie ein Wilder betete, nur um schließlich rauszuposaunen, daß ein Mann, der seit seiner Geburt auf einem Bein lahmte, jetzt wieder gehen könnte, ohne zu hinken.
    Dann gab’s eine kleine Panne. In Hattiesburg haben sie Jimmy Bob wegen Scheckfälschung drangekriegt, so daß ich die nächste Show in Tupelo alleine abziehen mußte. Das Zelt war gerammelt voll, und ich hatte mir vorgenommen, mit dem Rollstuhlschwindel und vielleicht einer anderen Heilung über die Runden zu kommen, irgendwas, was keiner sehen kann, Taubheit oder Rückenschmerzen, weil so ein Publikum nämlich auf den Kröten sitzenbleibt und nichts ausspuckt, wenn es das Wunder nicht kriegt, weswegen es gekommen ist. Aber gerade als ich mitten in meinem Sermon bin, da kommt diese alte schwarze Frau auf zwei Stöcke gestützt den Mittelgang hoch, und ich weiß, ich stecke in der Scheiße.
    Sie zupft mich am Hosenbein, schaut zu mir hoch mit ihren schwer vom grauen Star gezeichneten Augen, und dabei schnappt sie mit dem Mund wie ein Vögelchen im Nest. Und alle im Zelt schauen nur auf sie, und mir blieb keine Wahl, ich mußte was tun.
    Ich hab’ gesagt: ›Was führt dich hierher, Tantchen?‹ Und dann hab’ ich ihr das Mikrophon runtergehalten.
    Worauf sie sagte: ›Meine Wirbelsäule. Ich hab’ Schmerzen, da hilft nix dagegen, ’lektrische Decke nich, Chiropraktiker nich, nich mal Morphium. Am liebsten wär’ ich tot.‹
    Sie hatte so eine riesige dicke Brille, die vom Licht der Scheinwerfer ganz heiß war und es widerspiegelte, und die Tränen strömten ihr nur so übers Gesicht. Ich sag’ ihr also: ›So solltest du aber nicht reden, Tantchen.‹
    Und darauf sagt sie: › Du kannst dieser alten Frau hier helfen. Gott hat dich auserwählt. Genauso kann ich den Saum von Seinem Gewand küssen.‹ Und dann läßt sie die Krückstöcke fallen und legt ihre Hände auf meine Schuhspitzen.
    Ich hatte eigentlich gedacht, daß die ganzen Drogen meinem Gewissen schon lange den Rest gegeben hätten. Aber just in diesem Augenblick flehte ich Gott an, mich von der Erde verschlingen zu lassen. Etwas in mir verzehrte sich danach, allen in diesem Zelt zu sagen, daß sie vor sich einen Mann sähen, der weniger wert ist als Spucke auf der Straße. Ich war völlig sprachlos, wußte nicht, was ich tun sollte, und das einzige, was ich sah, waren diese Scheinwerfer, die mir Löcher in die Augen brannten. Also kniete ich nieder und legte meine Hände auf den Kopf der alten Frau. Ihr Haar war grau und schweißnaß, und unter meinen Fingern fühlte ich das Blut, das in ihren Schläfen pochte. Ich betete zu Gott, direkt nach oben durch das Loch im Zeltdach: ›Bestrafe mich, o Herr, aber erfülle dieser Frau ihren Wunsch.‹
    Und genau in diesem Augenblick geschah es das erste Mal. Ich spürte es richtig. Ein Stoß ging durch meine beiden Arme, als hätte ich in einen elektrischen Viehzaun gefaßt. Mir klapperten richtig die Zähne davon. Sie richtete sich gerade auf, und der Schmerz und das Leid wichen von ihrem Gesicht, als hätte jemand kühles Wasser durch ihren ganzen Körper strömen lassen. Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Ich zitterte und bebte so sehr, daß ich nicht wieder aufstehen konnte. Irgendwas in mir brach entzwei, und mir kamen die Tränen. Im ganzen Zelt war die Hölle los. Aber selbst in diesem Augenblick wußte ich ganz genau, daß diese Kraft durch die alte Frau gekommen war, durch den unbeirrbaren Glauben in diesem alten, verschwitzten, gequälten schwarzen Kopf. Manchmal, wenn ich schlafe, fühle ich immer noch ihr Haar an meinen Händen.
    Bei dir wird es nicht funktionieren, Dave. Was du willst, ist Zauberei. Du glaubst nicht an die Welt, deren Teil ich bin. Alles, was du davon haben wirst, ist ein schlechtes Gewissen.«
    Ich hatte keinen Bissen von dem Kuchen genommen. Ich schob den Teller mit dem Handrücken weg und blickte durch das Seitenfenster auf das Scheinwerferlicht eines Wagens, das entlang der dunklen Linie von Eichen am Highland Drive ein weißes Gittermuster entstehen ließ.
    »Damit will ich sagen, du hast deinen eigenen

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