Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
sichtbar waren, was dem Mund den Ausdruck eines immerwährenden höhnischen Grinsens gab.
Er rollte den Tabak zu einem kompakten Zylinder zusammen, befeuchtete die Ränder des Blättchens und knickte sie etwas um. Er hob die Augen, bis er in meine sah. Sie waren wie die eines Chamäleons – ohne Lider, reptilienhaft und feucht glänzend. Er riß ein Streichholz an seinem Daumennagel an. Der Nagel war so dick und dunkelrot wie der Panzer einer Schildkröte.
»Gefällt Ihnen mein Gesicht?« fragte er.
»Wie heißt du?«
»Vic.«
»Vic. Und weiter?«
»Vic Scheißegal. Ein Name ist so gut wie der andere, sag’ ich mir.«
»Wie wär’s, wenn du mir deinen Nachnamen sagst?«
»Benson.«
»Wie hat’s dich erwischt, Kumpel?«
Er steckte die Zigarette in das Loch, wo die Lippen im Mundwinkel weggeschnitten worden waren. Er blies Rauch durch die Gitterstäbe hindurch. »In einem Panzer«, sagte er.
»Du warst bei der Armee?«
»Genau.«
»Wo hast du gedient?«
»Korea.«
»Und dein Panzer ist abgeschossen worden?«
»Sie haben’s erfaßt.«
»Wo in Korea?«
»Gleich am zweiten Tag, in Heartbreak Ridge. Was soll das alles?«
»Da sind so ’n paar Leute, die sagen, sie hätten einen Mann mit deiner Beschreibung durch ihre Fenster reingucken sehen.«
»Ach ja? Muß wohl mein Zwillingsbruder sein.« Er lachte, und Speicheltropfen bildeten sich auf dem Zahnfleisch.
»Da gibt’s so einen Prediger in Baton Rouge, der denkt, daß ein Mann, der so aussieht wie du, vielleicht sein Vater sein könnte.«
»Hatte mal ’nen Sohn. Aber ich hab’ keinen Priester großgezogen.«
»Hast du schon mal von einer Frau namens Mattie gehört?«
Er zog die Zigarette vorsichtig zwischen den Lippen hervor und klopfte zwischen den Knien die Asche ab.
»Hast du meine Frage gehört, Kumpel?« sagte ich.
Seine Augen musterten mich ganz ruhig.
»Habt ihr Burschen eigentlich nichts Besseres zu tun?« fragte er.
»Hast du mal eine Frau gekannt, die Mattie hieß?«
»Nein, nie.«
Er zupfte an einer verschorften Stelle auf der Innenseite des entstellten Unterarms herum.
»Wie oft gehst du zur Blutbank?« fragte ich.
»Ein- oder zweimal die Woche. Hängt davon ab, wie viele es in der Stadt gibt. Die schreiben sich das auf.«
»Wohin schicken sie dir deine VA-Schecks?«
»Was?«
»Die Kriegsversehrtenrente von der Veterans Association.«
»Die krieg’ ich nicht mehr. Ist schon fünf oder sechs Jahre her, daß ich das das letztemal in Anspruch genommen hab’.«
»Warum?«
»Weil mir die Arschlöcher auf’n Geist gehen.«
»Ah ja«, sagte ich. Dann sagte ich ein paar Worte auf französisch zu ihm.
»Versteh’ ich nicht«, sagte er.
»Ich glaube, du sagst mir nicht die Wahrheit, Vic.«
Er ließ die Zigarette auf den Betonfußboden fallen und drückte sie mit dem Fuß aus.
»Wenn Sie so scharf auf meine Lebensgeschichte sind, checken Sie doch meine Fingerabdrücke«, sagte er und hielt die Handfläche hoch. »Wir hatten alle Schotten dicht, als sie uns eine voll vorne rein verpaßt haben. Ich hab’s als einziger geschafft rauszukommen. Die Klappe hat mir bis auf die Knochen alles weggebrannt, als ich sie hochdrückte. Die einzigen Prediger, die ich kenne, sind die in der Bahnhofsmission. Wenn Sie behaupten, ich gucke anderen Leuten in die Fenster, dann sind Sie ein gottverdammter Lügner.«
Sein Atem roch abgestanden, die Augen lagen wie heiße Murmeln in dem roten, schaufensterpuppenartigen Gesicht.
»Wo bist du untergekommen?« sagte ich.
»Bei der Heilsarmee, in Lafayette.«
»Ich habe keine Veranlassung, dich noch länger hierzubehalten, Vic. Aber ich gebe dir den guten Rat, dich vom Iberia Parish fernzuhalten. Wenn es noch mal vorkommt, daß dieselben Leute von einem Mann belästigt werden, der so aussieht wie du, will ich sichergehen können, daß du woanders warst. Habe ich mich klar und verständlich ausgedrückt?«
»Ich geh’ dahin, wo ich will.«
Ich klopfte mit meinem Füller ein paarmal auf meinen Handrücken, stand dann auf und hielt ihm die Tür auf.
»Okay, Kumpel. Am Ende dieses Korridors ist ein Deputy, der dich wieder zurück nach Lafayette fährt«, sagte ich. »Aber zum Abschied will ich dir noch was zum Nachdenken mitgeben. Wenn du tatsächlich Verise Sonnier bist, solltest du nicht deinen Kindern die Schuld für dein Unglück geben. Die haben selbst genug davon gehabt. Es wäre eher angebracht, stolz auf sie zu sein.«
»Aus dem Weg«, sagte er. Als er an mir vorbeiging, stopfte
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