Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
aus Baton Rouge einen Krankenwagen herbeirufen. Dann bat ich zwei schwarze Bahnarbeiter, mir mit Eddy Raintree zu helfen. Sie trugen verschmutzte Unterhemden, und im roten Licht der Signallampen sammelten sich Schweißperlen auf ihrer schwarzen Haut. Sie sahen zu ihrem Vorarbeiter, der weiß war.
»Macht schon, Jungs«, sagte er.
Sie folgten mir zurück zu der Stelle, wo Eddy Raintree auf der Seite zwischen Schotter und Unkraut lag. Der Wind trug den Laut eines Tigers oder Löwen, der tief aus der Seele kam, zu uns herüber. Ich drehte mich zu den schwarzen Männern, um etwas Aufmunterndes zu sagen, als der eine von ihnen auf etwas in der Entfernung zeigte.
»Da kommt einer aufm Motorrad«, sagte er.
Ich sah das Scheinwerferlicht und unter dem Sternenhimmel die Silhouette des Motorrads samt seinem kleinen Fahrer seitlich am Damm herunterruckeln und dann mit viel Gas entlang der Reihe von Güterwaggons rasen. Ich konnte schon sehen, wie Eddy Raintree sich mühte, auf ein Knie zu kommen, als ihm dämmerte, daß der Tanz für ihn vielleicht doch noch nicht vorbei war.
Danach ging es sehr schnell.
Ich riß die .45er aus dem Gürtel und rannte los. Das Motorrad fuhr an Eddy Raintree vorbei, bremste schleudernd in den Schottersteinen und fuhr im Bogen wieder zurück in die Richtung, aus der es gekommen war, so daß der Lichtstrahl des Scheinwerfers voll auf die Flanke des Zuges prallte. Zuerst dachte ich, der kleine Fahrer wollte versuchen, Eddy hinter sich aufs Motorrad zu schwingen, so wie ein Helfer beim Rodeo einen abgeworfenen Cowboy aufsammelt. Dann sah ich einen etwa sechzig Zentimeter langen festen Gegenstand in seiner Hand, sah, wie er ihn an der einen Körperseite ausstreckte. In meiner Naivität dachte ich, daß es vielleicht ein Bolzenschneider war, daß Raintree die aneinandergefesselten Handgelenke hochheben würde, damit der kleine Fahrer die Kette durchschneiden konnte. Außer Atem und erschöpft würde ich zurückbleiben, während sie über den Damm in die Dunkelheit verschwanden, dachte ich.
Aber ich war jetzt nahe genug, um zu sehen, daß es eine Schrotflinte war, der Lauf unmittelbar vor dem Vorderschaft abgesägt. Eddy Raintree hatte es geschafft, sich auf einem Knie aufzurichten, und war wie festgefroren im Lichtkegel des Scheinwerfers, wie ein Mann ohne Arme, der sich in der Kirche hinknien will, als sich die Schrotflinte mit lautem Dröhnen keine zehn Zentimeter von seinem Kinn entfernt aufbäumte.
Dann drehte der Fahrer das Gas auf, ein Stiefel über die Steine gleitend, um das Gleichgewicht besser zu halten, und manövrierte das Motorrad in einem wahren Hagel von Dreck und Grasklumpen und Butterblumen wieder den Damm hoch. Ich keuchte und mein Arm zitterte, als ich zwei Schüsse auf seine spielzeugähnliche Silhouette abgab. Im nächsten Augenblick kam die Maschine auf volle Touren, er beugte den Kopf nach vorne und verschwand mit donnerndem Motor, der nach und nach leiser wurde, irgendwo zwischen dem Damm und einigen Bauminseln.
Eddy Raintree war wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten waren, in sich zusammengefallen. Sein Kopf war von mir abgewandt, als versuche er, seinen letzten Gesichtsausdruck oder ein Geheimnis vor mir zu verbergen, das er mitnehmen wollte in eine andere Welt. Die Tiere in dem Zirkuswaggon tobten wild in ihren Drahtkäfigen. Ich berührte Eddy Raintree ganz sachte an der Schulter, und sie folgte der Schwerkraft und trudelte an den durchtrennten Sehnen im Hals nach unten.
Einer der Bahnarbeiter erbrach sich.
»Gütiger Gott im Himmel, schaut euch an, was sie mit dem armen Kerl gemacht haben«, sagte der andere. »Das Gesicht hängt ja an der falschen Seite vom Kopf.«
Kapitel 9
Es war nach Mitternacht, bis ich mit den Sanitätern, den Deputies des örtlichen Sheriffs, einem wütenden Detective, der mir vorwarf, innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches Ermittlungen durchzuführen, ohne zuvor sein Büro kontaktiert zu haben, und dem Gerichtsmediziner des Bezirks fertig war, der wie viele seiner Art ein verhinderter Komiker war.
»Den Körpergeruch dieses Burschen sollten sie in Dosen abfüllen und als chemische Waffe einsetzen. Dann würden die Iraner um Gnade betteln«, sagte er. »An Ihrer Stelle würd’ ich mich erst mal gegen Tollwut impfen lassen.«
Als ich wieder in meinen Wagen stieg, wußte ich, daß ich eigentlich sofort ohne Zwischenhalt nach New Iberia zurückfahren sollte. Das wäre das einzig Vernünftige gewesen. Aber Vernunft war noch
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