Weißglut
Kirche wie Danny?«
»Ja. Nach dem zweiten Date lud ich ihn ein mitzukommen. An diesem Sonntag sang ich im Gottesdienst ein Solo.«
Sie war also Mitglied eines Kirchenchors. Das erklärte das Glöckchenlachen.
»Danny wollte zuerst nicht mitkommen. Er sagte, Huff – so nannte er Ihren Vater normalerweise – verabscheue jede Religion. Aber ich sagte Danny, dass ich mich nicht weiter mit ihm treffen könne, wenn er nicht ebenso fest glaube wie ich. Und damit war es mir ernst.«
Sie lächelte schüchtern. »Er hatte mich gern genug, um an diesem Sonntag mit mir in die Kirche zu kommen. Und gleich bei diesem ersten Mal wurde ihm klar, dass ihm vor allem Gottes Liebe im Leben gefehlt hatte. Er entdeckte sie und wurde ein neuer Mensch.«
In dieser Hinsicht stimmten Huff, Chris und Beck Merchant mit ihr überein, obwohl sie Dannys Persönlichkeitsveränderungen eher auf geistige Unzurechnungsfähigkeit zurückführten als auf eine religiöse Neuerweckung. Für sie war es eine negative, keine positive Veränderung.
»Ich glaube, dass Sie meinem Bruder sehr gutgetan haben, Jessica. Ich bin froh, dass er Sie kennen gelernt hat. Und ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie ihn geliebt haben.«
»Dafür brauchen Sie mir nicht dankbar zu sein.« Ihre Stimme brach, und sie drückte sich das Taschentuch an die Augen, aus denen wieder Tränen flossen. »Ich habe ihn von ganzem Herzen geliebt. Wie soll ich nur ohne ihn weiterleben?«
Sayre drückte die weinende Jessica an ihre Schulter. Auch in ihren Augen standen Tränen, aber sie weinte ebenso um Jessica wie um Danny. Danny konnte nichts mehr fühlen, während dieser jungen Frau gerade das Herz gebrochen worden war und es für sie keine andere Erleichterung gab als die des Vergessens.
Manchmal passierten Dinge im Leben, die man nicht zu überleben glaubte … und eigentlich auch nicht wollte. Manche Erfahrungen waren so schmerzlich, dass man lieber sterben wollte als unter Qualen weiterleben zu müssen. Sayre wusste genau, was man in einer solchen Situation empfand. Sie wusste nur zu gut, wie man sich fühlte, wenn einem so großes Leid zugefügt wurde, dass man nur noch sterben wollte. In einer solchen Lage konnte scheinbar nichts außer dem Tod die Schmerzen lindern. Aber der Überlebensinstinkt ist eine unbegreifbare Sache. Das Herz schlägt weiter, selbst wenn jeder Lebenswille erloschen ist. Man atmet noch, selbst wenn man keine Luft mehr schöpfen möchte. Man lebt weiter.
Sie konnte Jessica ihre Verzweiflung und Verbitterung nicht verübeln. Sayre versuchte auch nicht, sie mit banalen Sprüchen zu trösten. Sie hielt sie nur fest und hätte sie die ganze Nacht so gehalten, wenn es nötig gewesen wäre, denn bei ihrem eigenen Gang durch die Hölle hatte niemand sie gehalten und getröstet.
Nach einer Weile hörte Jessica auf zu weinen. »Danny hätte das bestimmt nicht gewollt.« Sie tupfte ihre Tränen ab und schnäuzte sich. Als sie sich wieder halbwegs gefasst hatte, sagte sie: »Ich finde es unvorstellbar, dass der Gerichtsmediziner auf Selbstmord erkannt hat.«
»Es wird Sie vielleicht etwas trösten, dass Sie da nicht die Einzige sind. Man stellt schon die ersten Fragen.« Sayre erzählte ihr von dem Gespräch mit Sheriff Harper und Wayne Scott. Sie schilderte Jessica die Unterhaltung so genau wie möglich.
Als sie alles berichtet hatte, grübelte Jessica ein paar Sekunden lang darüber nach und fragte dann: »Aber dieser Detective arbeitet doch für Sheriff Harper?«
»Ich weiß, was Sie jetzt denken. Dass Red Harper von Huff bezahlt wird. Trotzdem scheint Deputy Scott fest entschlossen, weiter zu ermitteln.«
Die junge Frau kaute nachdenklich an ihrer Unterlippe. »In letzter Zeit hat sich Danny wegen irgendwas Sorgen gemacht. Jedes Mal, wenn ich ihn zur Rede stellen wollte, machte er sich über mich lustig und behauptete, er mache sich Sorgen, ob er mich wirklich ernähren könne oder was wohl passieren würde, wenn ich fett und schlampig würde, sobald er mich geheiratet hätte, oder ob ich ihn auch noch lieben würde, wenn er eine Glatze bekäme. In der Art. Ich hatte mich schon zu fragen begonnen, ob ich mir das alles nur einbildete, aber das glaube ich nicht. Dafür kannte ich ihn zu gut.«
»Aber er hat nie eine Andeutung gemacht, was ihn so beschäftigte?«
»Nein, trotzdem war da irgendwas, da bin ich ganz sicher.«
»Etwas so Schwerwiegendes, dass er sich deshalb das Leben genommen hat?«, fragte Sayre vorsichtig.
»Er hätte mich nie so
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