Weißglut
beschlossen hätte, sich das Leben zu nehmen.«
»Anders kann ich es mir nicht erklären.«
»Ich kann das kaum glauben.«
»Das haben wir doch schon besprochen, Sayre.«
»Ich meine nicht den Suizid. Das mit dem Angeln kann ich kaum glauben. Danny verabscheute das Angeln.«
Als Beck in Huffs Büro trat, erkannte er sofort, dass der alte Mann aufgebracht war. Noch ehe er ihm einen guten Morgen wünschen konnte, hatte Huff etwas, was wie eine Blumenkarte aussah, von einem Stapel ähnlicher Karten genommen und Beck entgegengeschwenkt. »Das macht mich rasend.«
Man hätte es für pietätlos halten können, dass er und Chris schon am Tag nach Dannys Beerdigung ins Büro gegangen waren. Den lokalen Gepflogenheiten hätte es entsprochen, den Rest der Woche freizunehmen. Aber Huff hatte noch nie viel von solchen Dingen gehalten. Sein Credo lautete, dass jeder Tag der Woche ein Arbeitstag war. Feiertage existierten für ihn nicht.
»Was ist das?«
Huff reichte ihm die Karte. Beck setzte sich auf das kleine Sofa direkt an Huffs Schreibtisch. Auf der anderen Seite des Raumes befand sich eine Fensterfront, durch die man in die Werkhalle sehen konnte, was aber nur für jemanden, der von der finsteren Hässlichkeit des Eisengießens profitierte, ein erhebender Anblick war. Für alle anderen war es eine düstere, lärmende, heiße Hölle.
Beck hatte, genau wie Chris und Danny, weiter unten am Gang ein ähnliches Büro. Chris war kurz zuvor in seines getaumelt. Die Tür zu Dannys Büro blieb heute verschlossen.
Beck las die Karte, die Huff ihm gegeben hatte. »In tiefer Anteilnahme, Charles Nielson«, las er. Dann sah er Huff an und lachte kurz. »Er hat Blumen zu Dannys Beerdigung geschickt?«
»Ist dieser Hurensohn nicht dreist? Sally will die Dankesschreiben rausschicken.« Damit war seine Chefsekretärin gemeint. »Ich wollte die Karten nur kurz durchsehen, ehe ich sie ihr gebe. Da fällt mir die hier in die Hand. Ist das zu glauben, dass er den Tod meines Sohnes dazu benutzt, mich zu ärgern?«
»Der Mann hat echt Nerven. Hattest du schon Gelegenheit, die Akte durchzusehen, die ich dir hingelegt habe?«
»Ich habe genug gelesen, um zu wissen, dass sich Nielson nur wichtig machen möchte. Diese Zeitungsartikel lesen sich wie von ihm selbst verfasste Pressemitteilungen.«
»Da bin ich ganz deiner Meinung«, sagte Beck. »Aber sie werden trotzdem gedruckt. Er ist ein Aufschneider und Angeber, aber die Öffentlichkeit horcht auf und nimmt Notiz von ihm. Bis jetzt hat er sich nur kleinere Firmen vorgenommen, aber er hat es bis jetzt noch jedes Mal geschafft, die Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren oder dem Management außergewöhnliche Zugeständnisse abzuringen. Jetzt hält er sich für unbesiegbar. Ich fürchte vor allem, dass er nach einem größeren Ziel Ausschau hält, das ihn ins Rampenlicht brächte.«
»Und du fürchtest, dieses Ziel könnte Hoyle Enterprises sein.«
»Wir sind dafür prädestiniert, Huff. Unsere Firma ist ein geschlossenes System. Was wir gießen, verkaufen wir. Wir gießen nicht für andere Hersteller. Wenn nur eine Stufe beim Schmelz- oder Gießprozess gestört wird …«
»Dann fällt unsere Produktion aus, wir können unsere Aufträgen nicht mehr erfüllen und unser Unternehmen geht den Bach runter.«
»Ich bin sicher, dass Nielson das weiß. Und leider gab es bei uns ein paar schwere und sogar tödliche Arbeitsunfälle.«
Huff schoss mit einem herzhaften »Scheiße!« aus dem Stuhl und ging ans Fenster. Den Blick nach unten gerichtet, sagte er wütend: »Weißt du, wie viele Menschen hier gearbeitet haben, ohne dass ihnen je ernsthaft etwas passiert ist? Hm?«
Er drehte sich wieder um. »Hunderte. Aber wird je was über die geschrieben? Malen diese Gewerkschaftsheinis Streikschilder, auf denen das steht? Scheiße, nein. Aber kaum blutet ein Arbeiter ein bisschen, bringen sie es riesengroß im Fernsehen.«
»Blutet ein bisschen« war eine grobe Untertreibung für das, was geschah, wenn von einem ungesicherten Laufband herunterrollende Rohre ein Bein zerquetschten, wenn ein Finger in einer Maschine ohne Notabschaltung abgetrennt wurde oder wenn glühend heißes Metall das Fleisch vom Knochen schmolz. Aber Beck behielt das für sich. Huff war zu aufgebracht, als dass mit ihm zu reden gewesen wäre.
»Und zwar landesweit « , zürnte er weiter. »Als würde irgendwer in New York City oder Washington D. C. irgendwas darüber wissen, wie wir hier unten die Dinge anpacken.
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