Weißglut
kaum der geeignete Ort, oder? Ich will das spüren, was auch die Arbeiter spüren.«
»Das ist keine gute Idee, Sayre«, widersprach er energisch. »Chris ist der Werksdirektor. Die Anordnung kommt direkt von ihm . «
»Hat er nicht den Mut, mir das ins Gesicht zu sagen?«
»Er verlässt sich auf mein diplomatisches Geschick.«
»Sie können so viel diplomatisches Geschick zeigen, wie Sie wollen. Ich werde mich nicht davon abbringen lassen.«
»Dann will ich es ganz undiplomatisch ausdrücken.« Er stemmte die Hände in die Hüften und baute sich vor ihr auf. »Was zum Teufel haben Sie hier verloren?«
»Wie Sie mir gestern in Erinnerung gerufen haben, bin ich Partnerin von Hoyle Enterprises.«
»Und warum ausgerechnet heute, wo Sie noch nie einen Funken Interesse für das Unternehmen gezeigt haben?«
Weil sie kein Interesse daran hatte, ihn von dieser falschen Einschätzung abzubringen, sagte sie: »Es wird langsam Zeit, dass ich mich dafür interessiere.«
»Noch einmal, warum? Weil Sie als kleines Mädchen nie hierherkommen durften? Danny und Chris waren oft hier, aber für Sie war das Werk tabu, wie man mir erzählt hat. Sind Sie wütend, weil Sie keiner von den Jungs sein durften?«
Ihre Augen funkelten gefährlich. »Kommen Sie mir nicht mit diesem Penisneidscheiß. Ich brauche Ihnen gar nichts zu erklären.«
Er nickte zu der Tür hinter ihr. »O doch, das müssen Sie, wenn Sie durch diese Tür gehen.«
»Sie sind Angestellter, Mr. Merchant. Ergo arbeiten Sie für mich, nicht wahr? Ich bin Ihr Boss.«
Ihre unnahbare, herablassende Art trieb ihn zur Weißglut. Und sie machte ihn scharf, rattenscharf, so idiotisch das auch war. Er wollte nichts lieber als sie küssen und ihr zeigen, dass sie nicht in jeder Hinsicht der Boss war.
Mühsam kämpfte er den Impuls nieder und fragte: »Was hoffen Sie damit zu erreichen?«
»Ich möchte sehen, ob das Werk wirklich so gefährlich ist, wie ihm nachgesagt wird. Sind die Vorwürfe, dass hier die Sicherheit missachtet wird, übertrieben oder, wie ich vermute, untertrieben?«
»Natürlich ist die Arbeit gefährlich, Sayre. Wir sind in einer Gießerei. Hier wird Metall geschmolzen. Das ist ein gefährliches Geschäft.«
»Behandeln Sie mich nicht wie ein kleines Kind«, fuhr sie ihn an. »Natürlich weiß ich, dass die Arbeit Gefahren mit sich bringt. Genau darum sollten alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, um die Arbeiter zu schützen. Ich glaube, dass Hoyle Enterprises in dieser Hinsicht sträflich nachlässig war.«
»Es ist unsere Unternehmenspolitik …«
»Unternehmenspolitik? Wie sie von Chris und Huff vorgeschrieben und von George Robson, der warzigsten aller Erdkröten, umgesetzt wird? Sie wissen so gut wie ich, dass Politik und Praxis zwei Paar Stiefel sind. Falls Huff in den letzten zehn Jahren nicht ein völlig neues Lied angestimmt hat – was ich schwer bezweifle –, lautet sein Motto immer noch ›Produzieren um jeden Preis‹. Die Produktion geht immer vor. Das hat er erst gestern bewiesen, als er nicht einmal zur Beerdigung seines Sohnes das Werk hat schließen lassen.« Sie holte tief Luft. »Und jetzt möchte ich bitte einen Schutzhelm.«
Ihre trotzige Miene verriet ihm, dass sie sich nicht davon abbringen lassen würde. Je angestrengter er versuchte, sie abzuwimmeln, desto entschlossener und, genau wie Huff angenommen hatte, misstrauischer würde sie werden. Wenn er andererseits ihrer Laune nachgäbe, hoffte Beck, würde sie ihre Neugier befriedigen und sich bald wieder auf dem Heimweg befinden, ehe sie noch mehr anrichten konnte.
Dennoch unternahm er einen allerletzten Versuch. Er deutete auf die Tür und sagte: »Haben Sie die Männer da drin gesehen, Sayre? Haben Sie sich diese Leute genau angesehen? Fast alle haben irgendwelche Narben. Die Maschinen in der Halle können schneiden, verbrennen, abtrennen oder zerquetschen.«
»Ich habe nicht vor, mich irgendwelchen beweglichen Teilen zu nähern.«
»In der Halle kann man sich auf tausenderlei Weise verletzen, selbst wenn man noch so vorsichtig ist.«
»Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund.«
Er musste ihr zugestehen, dass sie ihn in die Falle gelockt hatte. Missmutig holte er zwei Schutzhelme von dem Regal hinter sich und streckte ihr einen hin. »Und eine Sicherheitsbrille.« Er reichte ihr eine. »Ihre Füße kann ich nicht schützen. Das sind nicht gerade Stahlkappenschuhe«, bemerkte er zu ihren Schuhen.
Sie setzte erst die Brille auf und dann den
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