Weit Gegangen: Roman (German Edition)
dir, es zu benutzen.
Der Mann sah meine Miene erschlaffen.
– Nein, nein. Entschuldige! Das war ein Witz. Du wirst nicht unterwegs sterben. Nein. Ihr seid viele Jungs, und dir wird nichts zustoßen. Gott wacht über euch. Du bist jetzt stark, hast den Bauch voller Erdnüsse. Ich habe nur einen Witz gemacht, weil es so absurd wäre, wenn du in Gefahr wärst. Das ist absurd. Dir passiert nichts! Und jetzt wirst du Fahrrad fahren.
– Ja bitte.
– Aber du hast das noch nie gemacht.
– Nein.
Der rundbäuchige Mann seufzte und bezeichnete sich selbst als verrückt. Er schob das Fahrrad aus der Hütte in die Sonne. Die Speichen schimmerten, der Rahmen glänzte. Er zeigte mir, wie ich aufsteigen sollte, und während ich mich auf den Sattel setzte, hielt er das Fahrrad im Gleichgewicht. Es war das erstaunlichste Fahrrad, das je im Sudan gesehen wurde, und ich saß auf seinem bequemen schwarzen Ledersattel.
– Gut so, jetzt schiebe ich das Fahrrad an. Wenn ich anfange, musst du in die Pedalen treten. Verstanden?
Ich nickte, und die Räder setzten sich in Bewegung. Sofort kam es mir zu schnell vor, aber der Mann hielt das Fahrrad fest, deshalb fühlte ich mich sicher. Ich trat in die Pedale, obwohl die sich wie von allein bewegten.
– Strampeln, Junge, strampeln!
Der Mann lief neben mir und dem Fahrrad her, schnaufend und keuchend und lachend. Ich trat in die Pedale, und meine Füße schwangen abwärts und dann wieder hoch. Mein Magen rebellierte.
– Ja! Richtig so, Junge, du fährst!
Ich lächelte und schaute nach vorn und versuchte, meinen Magen zu beruhigen, der drohte, seinen Inhalt in den Staub zu entleeren. Ich schluckte und schluckte und sah stur geradeaus und sagte meinem Magen, er solle Ruhe geben. Er gehorchte, und ich konnte endlich wieder denken. Ich fuhr Fahrrad! Es war fast so wie fliegen, dachte ich. Der Wind in meinem Gesicht war so kräftig. In mir kam der unerwartete Wunsch auf, Amath könne mich jetzt sehen. Sie wäre schwer beeindruckt!
– Ich lasse jetzt los, sagte der Mann.
– Nein!, sagte ich, obwohl ich glaubte, ich könne es schaffen.
– Doch! Doch, sagte der Mann. – Ich lasse jetzt los.
Er ließ los und lachte.
– Ich habe losgelassen! Strampel weiter, Rote Armee! Immer schön geradeaus!
Ich konnte nicht geradeaus fahren. Sekunden später kippte das Fahrrad zur Seite, und der Vorderreifen drehte sich langsam, und ich fiel wie der Reiter damals in Marial Bai, geriet unter das Rad. Ich fiel mit dem Bein auf festen Boden und Wurzeln, und meine Wunde ging auf, klaffte weiter als zuvor. Bald darauf war ich wieder in der Hütte des rundbäuchigen Mannes, und er verband die Wunde erneut. Er entschuldigte sich viele Male, doch ich versicherte ihm, dass es meine Schuld gewesen war. Er sagte, ich hätte mich gut gehalten für mein erstes Mal, und ich lächelte. Ich war sicher, dass ich mich besser schlagen würde, wenn ich es noch einmal versuchte. Aber ich wusste, wenn ich mich nicht auf den Rückweg zu meiner Gruppe machte, würde ich sie für immer verlieren, und dann müsste ich bis zum Ende des Krieges bei diesem Mann bleiben, wann immer das auch kommen mochte. Ich sagte ihm, dass ich gehen müsse, und er war nicht allzu traurig darüber.
– Bitte erzähle niemandem von dem Fahrrad.
Ich sagte, ich würde es niemandem erzählen.
– Versprichst du es mir?, sagte er.
Ich versprach es.
– Gut. Fahrräder sind in diesem Krieg geheim. Fahrräder sind geheim, kleiner Zuhörer. Und jetzt bringen wir dich zu deiner Armee zurück. Ich führ dich hin. Aus welcher Richtung bist du gekommen?
In der Nacht zuvor hatte ich das Gefühl gehabt, stundenlang gelaufen zu sein, aber der Rückweg zur Gruppe dauerte wesentlich kürzer. Wir trafen auf die Jungen nicht weit von der versteckten Hütte des Mannes. Dut war nirgends zu sehen, und es schien sich niemand Gedanken darüber zu machen, dass er fort war oder dass ich vermisst wurde. Ich fragte, was los sei, und erfuhr, dass seit der Flucht in der Nacht zuvor ein Dutzend Jungen vermisst wurden. Drei Jungen waren in Brunnen gefallen. Die Gruppe war über die ganze Landschaft verstreut und die Jungen wirkten teilnahmslos. Ich verabschiedete mich von dem rundbäuchigen Mann und ging zu William K, der eine große Plastikplane gefunden hatte und versuchte, sie so klein zusammenzufalten, dass sie in seine Tasche passte. Selbst nachdem er sie zigmal gefaltet hatte, war die Plane noch immer so groß wie sein gesamter Oberkörper.
– Wohin bist
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