Weit Gegangen: Roman (German Edition)
Mann hatte etwas Schmieriges an sich, und ich hatte Bedenken, in seine Hütte zu gehen. Aber wenn man im Sudan in ein Haus eingeladen wird, vor allem als Reisender, erwartet man etwas zu essen. Und die Aussicht darauf überwog alle meine Bedenken bei Weitem. Geduckt tauchte ich in die Dunkelheit der großen Hütte des Mannes und sah es sofort. Bei Gott, es war ein Fahrrad. Es schien genau das gleiche Fahrrad zu sein. Ich schwöre, dass es das gleiche war – silbern, glänzend, neu, dasselbe Modell, das Jok Nyibek Arou nach Marial Bai gebracht hatte. Aber von diesem war die Plastikhülle entfernt worden, und deshalb sah es noch viel bemerkenswerter aus.
– Ah! Das Fahrrad gefällt dir. Hab ich mir gedacht.
Ich konnte nicht sprechen. Ich blinzelte kräftig.
– Nimm das.
Der Mann gab mir einen Lappen, und ich betupfte meine Wunde damit.
– Nein, nein. Lass mich das machen, sagte er.
Der Mann nahm den Lappen und band ihn fest um mein Bein. Das Schreien der Wunde wurde gedämpft, und ich hätte fast gelacht, weil seine Lösung so einfach war.
Der Mann bedeutete mir, mich hinzusetzen, und ich tat es. Wir saßen einen Moment lang da und taxierten einander, und jetzt sah ich, dass er ein Katzengesicht hatte, mit hohen, scharfen Wangenknochen und großen Augen, die ständig amüsiert wirkten. Aus seinen Handflächen, die offen auf seinem Schoß lagen, wuchsen auffällig lange Finger, jeder mit sechs oder noch mehr Gelenken.
– Du bist seit langer Zeit der Erste, der hierhergekommen ist, sagte er.
Ich nickte ernst. Ich vermutete, dass der rundbäuchige Mann seine Frau und seine Familie verloren hatte. Männer wie ihn gab es überall im Sudan, in seinem Alter, allein.
Mit einer schnellen Bewegung schob er einen Teppich beiseite, darunter war eine Tür aus Pappe mit einem Strick daran. Er hob sie an, und ich sah, dass sich ein tiefes Loch auftat, voller Essen und Wasser und Gurden mit geheimnisvollen Flüssigkeiten. Der Mann schloss die Klappe rasch wieder und schob den Teppich darüber.
– Da, sagte er.
Er häufte einen kleinen Berg Erdnüsse auf einen Teller.
– Für mich?
– Ah ah ah! Der Junge ist schüchtern. Wie kannst du so schüchtern sein? Du musst doch viel zu großen Hunger haben, um so schüchtern zu sein! Iss, solange das Essen in Reichweite ist, Junge. Iss.
Ich aß die Nüsse schnell, zuerst immer nur eine, dann schob ich mir eine Handvoll in den Mund. So viel hatte ich seit Wochen nicht gegessen. Ich kaute und schluckte und spürte, wie die Nusspaste mir Brust und Arme stärkte, wie ich wieder klar im Kopf wurde. Der Mann füllte den Teller erneut mit Nüssen, und ich aß sie, diesmal aber langsamer. Ich hatte das Bedürfnis, mich hinzulegen, und das tat ich, während ich weiter Nüsse aß, eine nach der anderen.
– Wo hast du das her?, fragte ich und zeigte auf das Fahrrad.
– Ich habe es, und allein darauf kommt’s an, Junge der Roten Armee. Bist du schon einmal Fahrrad gefahren?
Ich setzte mich auf und schüttelte den Kopf. Seine Augen blickten noch amüsierter.
– Oh nein! Wie schade. Sonst hättest du es mal ausprobieren dürfen.
– Ich weiß, wie das geht!, beteuerte ich.
Da lachte er schallend, den Kopf in den Nacken geworfen.
– Der Junge sagt, er weiß, wie es geht, obwohl er es noch nie gemacht hat. Iss etwas mit mir, kleiner Soldat, und dann werden wir mehr darüber erfahren, was du kannst und was nicht.
Ich konnte nicht erklären, wieso, aber ich fühlte mich sehr wohl im Haus dieses Mannes. Ich hatte Angst, dass die Gruppe weiterziehen würde, wenn die Sonne höher stieg, aber hier bekam ich zu essen und hier wurde meine Wunde versorgt, und ich erwog ernsthaft, bei diesem Mann zu bleiben, weil ich glaubte, dass ich hier höchstwahrscheinlich nicht sterben würde.
– Warum bist du hier?, fragte ich.
Der Mann wurde einen Moment ernst, als suchte er die Frage nach versteckten Bedeutungen ab, und als er keine fand, blickte er freundlicher.
– Warum bin ich hier? Die Frage gefällt mir. Ich danke dir dafür. Ja.
Er lehnte sich grinsend zurück und machte keine Anstalten, die Frage zu beantworten.
– Wie unhöflich von mir! Wieder warf er den Teppich beiseite, griff nach einem Plastikkanister, holte ihn heraus und reichte ihn mir. – Da gebe ich dir Nüsse und kein Wasser, um sie runterzuspülen! Trink.
Ich nahm den Kanister, und er war so kalt, dass meine Hände zurückzuckten. Ich schraubte die weiße Kappe ab, legte sie mir in den Schoß und hob das Gefäß
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