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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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Atlanta, erklärte sie mir. Ihr Mann Gerald, den ich nicht so gut kenne – er ist irgend so ein Manager und nicht immer zum Abendessen zu Hause –, hat sich hier nach einem Wasserskiunfall die Schulter operieren lassen. Es ist das beste, das wir haben, sagte Anne, und ich bin froh, hier zu sein. Krankenhäuser vermitteln mir Trost. Ich spüre die Kompetenz, die Sachkenntnis, die Bildung und das Geld, alles hier ist steril, verpackt und vakuumversiegelt. Meine Ängste verfliegen, als sich die automatische Tür mit einem Zischen öffnet.
    »Fahr nach Hause«, sage ich zu Achor Achor. »Das kann lange dauern.«
    »Ich bleibe«, sagt er. »Ich warte, bis du dran bist. Und dann kannst du mich anrufen, wenn du abgeholt werden musst. Vielleicht versuche ich noch eine Stunde oder so zu arbeiten.«
    Es ist vier Uhr, als wir den Empfangsbereich betreten. Ein Afroamerikaner, ungefähr dreißig Jahre alt, in kurzärmeliger blauer Krankenhauskluft steht an der Empfangstheke. Er taxiert uns mit großem Interesse, und ein neugieriges Grinsen breitet sich unter seinem buschigen Schnurrbart aus. Als wir näherkommen, scheint er meine Verletzungen an Gesicht und Kopf zu registrieren. Er fragt mich, was passiert ist, und ich gebe ihm eine Kurzversion der Geschichte. Er nickt und scheint mit mir mitzufühlen. Ich empfinde eine fast irrwitzige Dankbarkeit ihm gegenüber.
    »Wir kümmern uns um Sie«, sagt er.
    »Vielen Dank, Sir«, sage ich und greife über die Theke, um seine Hand mit beiden Händen zu umfassen. Seine Haut ist rau und trocken.
    Er reicht mir ein Klemmbrett. »Sie müssen bloß das hier ausfüllen, dann …« An dieser Stelle fährt er mit der Hand waagerecht durch die Luft, von seinem Bauch aus auf mich zu, schließt dabei die Augen und schüttelt den Kopf, als wollte er sagen, Das wird ganz leicht, ein Kinderspiel.
    Achor Achor und ich setzen uns und füllen das Formular aus. Sehr schnell kommen wir zu der Zeile, wo nach meiner Krankenversicherung gefragt wird, und ich stocke. Achor Achor überlegt.
    »Das ist ein Problem«, sagt er, und ich weiß, dass er recht hat.
    Ich war ungefähr achtzehn Monate lang versichert, bin es aber nicht mehr, seit ich mit der Schule angefangen habe. Ich verdiene 1 245 Dollar im Monat, die Schulgebühr beträgt 450 Dollar, Miete 425 Dollar, dann noch Essen, Heizung, so viele Dinge. Die Versicherung war ein Kostenfaktor, der nicht mehr in die Gleichung passte.
    Ich fülle das Formular aus, so gut ich kann, und bringe dem Mann das Klemmbrett zurück. Ich bemerke sein Namensschild: Julian.
    »Ich kann alles in bar bezahlen«, sage ich.
    »Wir nehmen kein Bargeld«, sagt Julian. »Aber keine Sorge. Wir behandeln Sie, auch wenn Sie nicht versichert sind. Wie gesagt – nur die Ruhe.« Er macht wieder dieselbe Handbewegung, und wieder beruhigt sie mich. Er ist bestimmt in der Lage, alle notwendigen Fäden zu ziehen. Er wird persönlich dafür sorgen, dass hier alles schnell und gut vonstattengeht. Achor Achor sitzt noch, als ich vom Empfang zurückkomme.
    »Er hat gesagt, ich werde auch so behandelt. Du kannst jetzt gehen«, sage ich. »Du musst zurück zur Arbeit.«
    »Ist schon okay«, sagt Achor Achor, ohne von seiner Illustrierten aufzublicken. Aus irgendeinem Grund liest er eine Jagdzeitschrift. »Ich warte noch, bis du drankommst.«
    Ich öffne den Mund, um zu widersprechen, halte mich aber zurück. Ich möchte, dass er hier ist, genau wie er wollte, dass ich bei ihm war, als er seine Führerscheinprüfung machte und als er sich um seinen ersten Job bewarb, genau wie wir einander bei Dutzenden von Gelegenheiten in der Nähe haben wollten, weil wir uns zu zweit stärker und fähiger fühlten als allein. Also bleibt Achor Achor, und wir blicken auf den Fernseher über uns, und ich blättere eine Basketballzeitschrift durch.
    Als fünfzehn Minuten vergangen sind, muss ich meine Enttäuschung unterdrücken. Fünfzehn Minuten ist keine lange Wartezeit für eine hochwertige medizinische Versorgung, aber ich hatte doch mehr von Julian erwartet. Ich spüre die Enttäuschung, die zwar schwer zu rechtfertigen, aber unmöglich zu ignorieren ist, denn ganz offensichtlich sind Julian oder dieses Krankenhaus von meiner Verletzung nicht in einem Maße beeindruckt, dass sie mich auf eine Rolltrage werfen und in Windeseile durch Gänge und Türen schieben, während sie einander Anweisungen zurufen. Ich habe den flüchtigen Gedanken, Achor Achor und ich könnten vielleicht irgendwie nachhelfen, dass

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