Weit Gegangen: Roman (German Edition)
mein Kopf wieder anfängt zu bluten, wenn auch nur ein bisschen.
Zwanzig Minuten, dreißig Minuten vergehen, und wir werden durch ein Collegebasketballspiel auf ESPN abgelenkt.
»Meinst du, es liegt an der Versicherung?«, flüstere ich Achor Achor zu.
»Nein«, sagt Achor Achor. »Du hast ihm doch gesagt, dass du bezahlen wirst. Die wollen bloß sichergehen, dass du es auch wirklich kannst. Hast du ihm deine Kreditkarte gezeigt?«
Das habe ich nicht getan. Achor Achor ist gereizt.
»Dann zeig sie ihm. Du hast eine von der Citibank.«
Julian hat sich seit unserer Ankunft nicht vom Empfang wegbewegt. Ich habe beobachtet, wie er Formulare ausfüllte, Akten sortierte und Anrufe entgegennahm. Ich gehe zu ihm, und als ich bei ihm angekommen bin, hole ich mein Portemonnaie hervor.
Er kommt mir zuvor. »Dürfte nicht mehr lange dauern«, sagt er und blickt nach unten auf mein Klemmbrett. »Wie wird Ihr Name eigentlich ausgesprochen? Und was ist der Vorname? Deng?«
»Valentino ist mein Vorname, Deng der Nachname.«
»Ah, Valentino. Das gefällt mir. Setzen Sie sich einfach hin und …«
»Verzeihung«, sage ich, »aber ich frage mich, ob sich meine Behandlung verzögert, weil möglicherweise Zweifel bezüglich meiner Zahlungsfähigkeit bestehen.«
Ich sehe, wie Julian den Mund öffnet und beschließe, lieber zu Ende zu sprechen, ehe er mich missversteht. »Und ich wollte klarstellen, dass ich wirklich zahlen kann. Ich weiß, dass Sie kein Bargeld nehmen können, aber ich habe auch eine Kreditkarte«, jetzt ziehe ich meine neue Citibank Gold-Karte aus dem Portemonnaie, »durch die die Kosten gedeckt sind. Sie hat einen Kreditrahmen von 2 500 Dollar, daher müssen Sie sich keine Sorgen machen, dass ich einfach gehe, ohne zu bezahlen.«
Sein Gesichtsausdruck deutet an, dass ich etwas Taktloses gesagt habe.
»Valentino, wir müssen jeden versorgen, der zu uns kommt. Dazu sind wir gesetzlich verpflichtet. Wir können Sie gar nicht wegschicken. Sie müssen hier also nicht Ihre Kreditkarten vorzeigen. Entspannen Sie sich und schauen Sie sich das Georgetown-Spiel an, und ich bin sicher, Sie werden bald genäht. Ich würd’s ja selbst machen, aber ich bin kein Arzt. Die lassen mich nicht an Nadel und Faden ran.« Jetzt lächelt er ein großzügiges Lächeln, das sich rasch in ein verkniffenes Grinsen verwandelt, was mir zu verstehen gibt, dass unser Gespräch erst einmal beendet ist.
Ich danke ihm erneut und kehre zu meinem Platz zurück und erkläre Achor Achor die Lage.
»Hab ich doch gesagt«, meint er.
»Hast du doch gesagt?«
Sein Telefon klingelt, und Achor Achor hebt einen Finger, damit ich aufhöre zu sprechen. Er kann einen wirklich auf die Palme bringen. Er nimmt das Gespräch an und beginnt, schnell auf Dinka zu sprechen. Es ist Luol Majok, einer von uns, der jetzt in New Hampshire lebt und als Concierge in einem Hotel arbeitet. Es wird behauptet, in erster Linie von Luol Majok, dass Luol Majok Manchester besser kennt als jeder, der dort geboren und aufgewachsen ist. Das Gespräch ist lebhaft, und es wird viel gelacht. Achor Achor fängt meinen Blick auf und flüstert: »Er ist auf einer Hochzeit.«
Normalerweise würde mich interessieren, wer da geheiratet hat – ich höre bald heraus, dass es eine rein sudanesische Hochzeit ist, da oben im kalten Manchester –, aber mein Interesse für weitere Details hält sich in Grenzen. Achor Achor will Luol erklären, dass er mit mir im Krankenhaus ist, aber ich wedele mit beiden Händen vor seinem Gesicht herum, um ihn davon abzuhalten. Ich will nicht, dass Luol davon erfährt. Niemand soll es erfahren, das würde allen nur die Feier verderben. Die Anrufe nähmen kein Ende. Innerhalb von Minuten läge ich den Gerüchten nach im Koma oder wäre tot, und niemand hätte mehr Lust zu tanzen. Bald darauf ist Achor Achor fertig und schiebt sein Handy zurück in die Gürteltasche. Über Nacht, so scheint es, hat sich jeder Sudanese in Atlanta eine Gürteltasche für sein Handy zugelegt.
»Erinnerst du dich an Dut Garang?«, fragt er. »Er hat Aduei Nybek geheiratet. Vor fünfhundert Gästen.« Im Sudan sind Hochzeiten maßlos. Niemand wird ausgeschlossen, ob ein Gast Braut oder Bräutigam nun kennt oder nicht. Alle können teilnehmen, und die Kosten, die Reden, die Feierlichkeiten nehmen kein Ende. Natürlich laufen sudanesische Hochzeiten in den Vereinigten Staaten anders ab als im Sudan. Es gibt zum Beispiel keine Tieropfer, und das Bettlaken wird nicht auf Blut
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