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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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erklären, ich sei in Gefahr, wenn ich zurück in den Sudan ginge. Ich würde als Flüchtling registriert werden und unter neuem Namen in Kakuma Aufnahme finden.
    – Kein Geld mehr, was?, sagte Thomas. – Du bist doch erst letzte Nacht losgegangen!
    Thomas legte den Kopf schief und lächelte mich seltsam an.
    – Schlechte Planung, Achak. Hast du dir schon einen neuen Namen ausgedacht? Du bist doch bestimmt froh, wenn du Achak loswirst.
    Ich sagte ihm, mein neuer Name sei Valentino Deng.
    – Nicht schlecht. Gefällt mir, Valentino. Es gibt noch ein paar andere Valentinos. Das sieht dann nicht verdächtig aus. Pass auf, hier hast du fünfzig Shilling. Du kannst sie mir zurückzahlen, wenn du das nächste Mal hier durchkommst. Ich bin oft hier. Ich mache hier und da ein paar Geschäfte. Nimm die fünfzig Shilling, pack deine fünfzig dazu, dann hast du hundert. Das könnte reichen, wenn die SPLM Mitleid mit dir hat. Mach mal ein erbarmungswürdiges Gesicht, Valentino Deng.
    Ich zog die Mundwinkel weinerlich nach unten und drückte auf die Tränendrüse.
    – He, nicht schlecht, Valentino. Beeindruckend. Hast du schon eine Mitfahrgelegenheit?
    Ich sagte, ich hätte keine Mitfahrgelegenheit.
    – Du liebe Zeit. So einen schlecht vorbereiteten Reisenden habe ich ja noch nie erlebt. Wenn du noch einmal so ein Gesicht machst, verrate ich dir, wo du eine Mitfahrgelegenheit nach Narus findest.
    Ich sah ihn erneut so an.
    – Das ist wirklich ein erbarmungswürdiger Anblick, Kleiner. Glückwunsch. Okay. Gleich kommt ein Lastwagen vom Sudan rein. Müsste jeden Moment hier sein, und einer der Fahrer ist ein Freund von mir, ein Cousin meiner Frau. Die fahren in ein paar Minuten zurück in den Sudan. Alles klar?
    – Alles klar, sagte ich.
    – Gut, sagte er. Da kommt er schon.
    Und tatsächlich tauchte plötzlich einer der üblichen Lastwagen mit offener Ladefläche auf, wie ich sie schon so oft voll mit Passagieren gesehen hatte. Es war wie ein Traum, dass ich so schnell eine Mitfahrgelegenheit bekommen hatte. Dabei war ich doch erst seit fünf Minuten wach. Der Lastwagen hielt rumpelnd vor Save the Children. Thomas sprach kurz mit dem Fahrer und gab mir dann ein Zeichen. Der Motor sprang grollend an, und die Reifen knirschten über den Schotter.
    – Los, du Dummkopf! Beeilung!, rief mir Thomas zu.
    Ich nahm meinen Rucksack, rannte hinter dem Lastwagen her und sprang auf die hintere Stoßstange. Ich drehte mich um, weil ich Thomas zuwinken wollte, aber er war schon hineingegangen, fertig mit mir. Ich warf meinen Rucksack auf die Ladefläche und kletterte über die Heckklappe. Mein erster Fuß landete auf etwas Weichem.
    – Entschuldigung!, keuchte ich.
    In dem Moment sah ich, dass ich auf einen Menschen getreten war. Die Ladefläche war voller Menschen, fünfzehn oder noch mehr. Aber sie waren grau, weiß, blutbesudelt. Diese Menschen waren tot. Ich stand auf der Brust eines Mannes, der sich nicht wehrte. Ich sprang von der Brust und auf die Hand einer Frau, die ebenfalls keine Einwände erhob. Ich stellte mich auf ein Bein, und mein anderes Bein schwebte über den freigelegten Gedärmen eines Jungen, der kaum älter war als ich.
    – Vorsicht, Junge! Ein paar von uns leben noch.
    Ich wandte mich um und sah einen Mann, einen älteren Mann, der am hinteren Ende des Wagens verdreht wie eine Wurzel auf dem Boden lag. – Verzeihung, sagte ich.
    Der Lastwagen tat einen Satz, und der Kopf des alten Mannes schlug gegen die Heckklappe. Er stöhnte.
    Wir fuhren und wurden rasch schneller. Ich hielt mich an einer Seitenwand des Lasters fest und versuchte, nicht auf die Ladung zu blicken. Ich schaute in den Himmel, doch dann überwältigte mich der Geruch. Ich würgte.
    – Daran gewöhnst du dich, sagte der Mann. – Es ist ein menschlicher Geruch.
    Ich wollte meinen Fuß bewegen, merkte aber, dass er festklebte. Der Boden war mit Blut bedeckt. Ich wäre am liebsten abgesprungen, doch wir fuhren zu schnell. Ich blickte nach vorne, wollte den Fahrer auf mich aufmerksam machen. Ein Kopf tauchte auf der Beifahrerseite auf. Ein fröhlicher Mann hievte sich halb heraus, setzte sich in das offene Fenster und schaute zu mir nach hinten. Er schien ein SPLA-Offizier zu sein, aber sicher war ich mir nicht.
    – Wie geht’s dir da hinten, Rote Armee?
    – Ich möchte bitte aussteigen, stammelte ich.
    Der Vielleicht-Rebell lachte.
    – Ich geh zu Fuß zurück. Bitte. Bitte, Onkel.
    Er lachte, bis ihm Tränen in die Augen stiegen.
    – Ach,

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