Weit Gegangen: Roman (German Edition)
Kerl kriegen! Er war überall dabei. Er stand im Zentrum der islamischen Revolution, Achak! Er hat den Sudan mit viel Geld versorgt! Dieser Mann hat alles finanziert: Maschinen, Flugzeuge, Straßen. Er hat seine Finger in der Landwirtschaft, in der Wirtschaft, im Bankenwesen, überall. Und er hat Tausende von El-Kaida-Leuten in den Sudan geholt, zur Ausbildung und Planung. Die Firmen, die er im Sudan gegründet hat, haben all die anderen Terrorzellen auf der ganzen Welt mit Geld versorgt. Und möglich gemacht wurde das alles durch die Kooperation mit Khartoum! Ohne eine Regierung, die solche Dinge unterstützt, ist es viel schwieriger für jemanden wie bin Laden, dem es nicht darum geht, irgendwelche Reisebüros in die Luft zu jagen. Deswegen besitzt er eine Baufirma im Sudan und deswegen kann er nach Lust und Laune Sprengstoff einkaufen, in jeder beliebigen Menge. Scheint alles ganz legal, nicht? Und mit Khartoums Hilfe kann er diesen Sprengstoff in den Jemen oder nach Jordanien oder überallhin verschicken.
– Aber er war doch nicht der einzige Terrorist im Sudan, nicht wahr?, fragte ich.
– Nein, von überall gab es dort Gruppen. Die Hisbollah hatten Leute da, der Islamische Dschihad und viele andere. Aber Osama ist der Schlimmste. Er hat behauptet, er habe die Kerle in Somalia ausgebildet, die dort die amerikanischen Soldaten getötet haben. Er hatte eine Fatwa gegen alle Amerikaner in Somalia verhängt. Und dann hat er den Bombenanschlag auf das World Trade Center in New York finanziert. Kennst du das Gebäude?
Ich schüttelte den Kopf.
– Das ist gigantisch, es reicht bis zu den Wolken. Bin Laden hat dafür bezahlt, dass ein Mann einen Lastwagen in den Keller des Gebäudes gefahren hat, um es in die Luft zu sprengen. Und dann hat er versucht, Mubarak in Ägypten zu töten. Alle Männer, die an dem Komplott beteiligt waren, kamen aus dem Sudan, und bin Laden hat alles bezahlt. Der Mann ist ein großes Problem. Ehe er kam, hatten Terroristen keine großen Möglichkeiten. Aber er hat so viel Geld, dass vieles möglich wurde. Er sorgt dafür, dass es mehr Terroristen gibt, weil er sie bezahlen, ihnen ein gutes Leben bieten kann. Natürlich nur bis sie sich umbringen.
Wenige Tage später bewahrheiteten sich Gops Prophezeiungen, wie es schien. Wieder war ich Schiedsrichter bei einem Fußballspiel, als ein UN-Laster mit zwei kenianischen Helfern hintendrauf vorbeifuhr und die gute Nachricht brachte.
– Clinton hat Khartoum bombardiert!, schrien sie. – Khartoum wird angegriffen!
Das Spiel endete in ausgelassenem Jubel. An jenem Tag und in der Nacht darauf herrschte in den sudanesischen Teilen Kakumas helle Aufregung. Es wurde darüber geredet, was das wohl zu bedeuten hatte, und alle waren sich einig, dass das nur eines heißen konnte: Die Vereinigten Staaten waren wütend auf den Sudan und gaben ihm die Schuld an den Bombenattentaten in Kenia und Tansania. Es bewies zweifelsfrei, so dachten alle, dass die Vereinigten Staaten sich auf die Seite der SPLA stellten und dass sie die Regierung in Khartoum ablehnten. Natürlich gingen einige ganz Schlaue unter den Flüchtlingen gedanklich noch weiter. Gop zum Beispiel war überzeugt, dass die Unabhängigkeit des Südsudan zum Greifen nahe war.
– Das ist es, Achak!, sagte er. – Das ist der Anfang vom Ende! Wenn die USA beschließen, jemanden zu bombardieren, dann ist das das Ende. Sieh dir an, was mit dem Irak passiert ist, nachdem sie in Kuwait einmarschiert sind. Wenn die USA dich erst mal bestrafen wollen, dann gibt’s Ärger. Mann, das ist es. Jetzt werden die USA Khartoum im Handumdrehen stürzen, und dann kehren wir nach Hause zurück, und wir werden Geld mit dem Öl verdienen, und es wird eine Grenze zwischen dem Norden und dem Süden gezogen, und es wird einen neuen Sudan geben. Ich denke, das passiert alles in den nächsten achtzehn Monaten. Wart’s ab.
Ich liebte und bewunderte Gop Chol, aber wenn es um Politik ging – um Fragen zur Zukunft des Sudan –, lag er unweigerlich falsch.
Doch im Kleinen waren für die Menschen im Südsudan viele Veränderungen im Gang, und es gab Entwicklungen, die Grund zu hoffen gaben. In Kakuma wurden sudanesische Sitten und Gebräuche weit häufiger verfremdet und gebrochen, als dies geschehen wäre, wenn es keinen Krieg gegeben hätte, wenn nicht achtzigtausend Menschen in einem Flüchtlingslager gelebt hätten, das von einem fortschrittlichen internationalen Konsortium geleitet wurde. Ich hätte mit
Weitere Kostenlose Bücher