Weit Gegangen: Roman (German Edition)
uns eines Tages in ihrer Heimat begegnen würden, vielleicht kurz vor Noriyakis und Wakanas Hochzeit, wenn ich Japan als wohlhabender Mann besuchte. Ich war nicht sehr zuversichtlich, dass dieser Tag je kommen würde, aber es machte mir Spaß, daran zu denken.
Eines Tages kam ein Mann zu Noriyaki. Der Mann war ein sudanesischer Ältester, ein gebildeter Mann, der unter den Dinka geachtet wurde. Er hatte drei Jahre an der Universität von Khartoum studiert, und zu verschiedenen Fragen wurde seine Meinung eingeholt, vor allem, wenn es um Politik ging. Heute jedoch war er aufgebracht und verlangte, sofort mit Noriyaki zu sprechen. Noriyaki bat ihn herein und bot ihm einen Stuhl an.
– Ich möchte lieber stehen, sagte er.
– Okay, sagte Noriyaki.
– Ich muss stehen, denn das, was ich zu sagen habe, ist sehr dringend und sehr unerfreulich.
– Okay. Ich höre.
– Sie müssen mit Ihrem Volk sprechen, Ihrer Regierung, Mr Noriyaki. Die Chinesen und die Malaysier machen diesen Krieg noch schlimmer. Sechzig Prozent des sudanesischen Öls gehen allein an diese beiden Länder. Wissen Sie, wie viel Öl sie abnehmen? Zig Millionen Barrel pro Jahr, und es wird immer mehr! China hat vor, bis 2010 die Hälfte seines Öls aus dem Sudan zu beziehen!
– Aber, Sir …
– Und wir wissen doch alle, dass das Öl der wahre Grund für den Krieg ist. Bashir will bloß das Chaos im Süden bewahren und die SPLA von den Ölfeldern fernhalten. Und woher bekommt er dafür seine Waffen? Aus China, Mr Noriyaki. China will, dass der Süden unsicher bleibt, weil dann andere Länder fernbleiben, die sich mit den Menschenrechtsverletzungen bei der Ölförderung nicht die Hände schmutzig machen wollen! Ihre Regierung liefert Waffen, die gegen Zivilisten eingesetzt werden, und sie kauft außerdem das Öl, das unrechtmäßig gewonnen wird und für den Tod von Hunderttausenden verantwortlich ist. Ich bin hergekommen, um an Sie als Vertreter Ihrer Regierung zu appellieren, dass Sie gegen diese Ungerechtigkeiten Stellung beziehen!
Als Noriyaki endlich Gelegenheit bekam, etwas zu sagen, erklärte er dem Mann, dass er kein Chinese sei. Der Mann brauchte fünf Minuten, um diese Information zu verdauen.
– Ich möchte nicht unhöflich sein, aber Sie sehen aus wie ein Chinese.
– Nein, Sir. Ich bin Japaner. Wir sind auch keine großen Freunde der Chinesen.
Der Mann ging, verwirrt und enttäuscht.
Es wurde nicht mit Schuldzuweisungen gespart für das, was im Sudan geschah. Und je besser wir verstanden, wie sehr unsere Situation mit den Problemen der Welt zusammenhing, und die Verstrickung von Geld, Macht und Öl durchschauten, die für unser Leiden verantwortlich war, desto mehr gelangten wir zu der Überzeugung, dass etwas unternommen werden würde, um den Südsudan zu retten. Eine Serie von Bombenanschlägen brachte uns, wie wir glaubten, ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit zurück.
Ich war gerade Schiedsrichter bei einem Fußballspiel, als ich die Nachricht von zwei Jungen erfuhr, die am Spielfeld vorbeiradelten.
– In Nairobi ist eine Bombe hochgegangen. Und in Daressalam!
Es hatte Bombenattentate auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania gegeben. Das ganze Lager war wie erstarrt. Die Kenianer hörten auf zu arbeiten. Überall, wo es Fernseher oder Radios gab, und von Ersteren gab es nicht viele, waren sie von Menschen umringt. Hunderte Tote, so lauteten die Berichte, fünftausend Verletzte. Tagelang sahen wir, wie Leichen aus den Trümmern geborgen wurden. Die Kenianer verlangten wütend nach Antworten. Als sich herausstellte, dass islamische Fundamentalisten hinter den Anschlägen standen, kam es in Kakuma zu Ausschreitungen. Es war kein guter Moment, Somali oder Äthiopier zu sein. Die Muslime egal welcher Nation hielten sich in jenen Tagen versteckt und ließen keine Gelegenheit aus, sich von den Terroristen um Osama bin Laden zu distanzieren. Damals hörte ich seinen Namen zum ersten Mal, doch schon bald kannte ihn jeder und wusste, dass er im Sudan lebte. Gop verbrachte jede Minute am Radio und hielt mir beim Abendessen Vorträge.
– Da steckt bin Laden dahinter. Und der Sudan wird für dieses Verbrechen bezahlen. Sie haben ihm geholfen, und dafür werden sie bezahlen. Wird ja auch allmählich Zeit.
Gop schien fast froh über die Entwicklung. Er war sicher, dass bin Ladens Bombenanschläge die Aufmerksamkeit der Welt auf den Sudan lenken würden und dass das nur gut für uns sein konnte.
– Endlich werden wir diesen
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