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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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scheint vor allem neugierig zu sein, was ich – dieser winzige Junge, viel kleiner als du, TV-Boy – mit der Schüssel vorhabe, wo ich so verzweifelt dreinschaue, mit meinem Kanister voll braunen Flusswassers.
    Ich weiß, was ich zu tun habe, und mache mich gewissenhaft an die Arbeit. Ich gieße den Inhalt des Kanisters durch mein Hemd in die Schüssel, dann wieder vorsichtig zurück in den Kanister. Nachdem mir das einmal gelungen ist, kann ich mich nicht entscheiden, wie sauber ich das Wasser haben will. Was ist wichtiger, überlege ich: das Wasser rasch zurückzutragen oder es in möglichst reiner Form abzuliefern? Schließlich filtere ich es dreimal, schraube den Verschluss wieder auf den Kanister und gebe der Frau die Schüssel zurück, flüstere schwer atmend danke, während ich die Böschung hinaufklettere.
    Oben angekommen, im harten Gras, sprinte ich wieder los. Ich merke, dass ich müde bin, und laufe jetzt um die vielen Löcher im Weg herum, anstatt darüber hinwegzuspringen. Ich atme laut und schwer, und ich verfluche mein lautes Atmen. Ich will weder langsam laufen noch atemlos gehen, noch außer Atem sein, wenn ich Amath das Wasser bringe. Ich muss so schnell und so geschmeidig rennen wie zu Anfang, als ich loslief. Ich verbiete meinem Atem, durch den Mund zu gleiten, sende ihn stattdessen durch die Nase und ziehe das Tempo an, als ich dem Ortskern näher komme.
    Diesmal sieht mich meine Tante, als ich an ihrem Hof vorbeilaufe.
    – Achak, bist du das?, ruft sie.
    – Jaja, sage ich, aber ich merke, dass ich nicht genug Luft habe, um ihr zu erklären, warum ich so renne und nicht stehen bleiben kann. Vielleicht errät sie es, genauso wie mein Vater. Es machte mich kurz verlegen, als mein Vater äußerte, mein Vorhaben könne irgendetwas mit Amath zu tun haben, aber dann war mir egal, wer es wusste, weil Amath so ungewöhnlich ist und von allen gemocht wird und ich stolz darauf bin, sie eine Freundin nennen zu können und dabei ertappt zu werden, dass ich etwas für sie erledige, für diese schöne Frau, die mich einen jungen Mann und einen Gentleman nennt und die mit ihrem lächelnden geschlossenen Mund und dem fröhlichen Gang das beste Mädchen in Marial Bai ist.
    Ich komme an der Schule vorbei und dahinter kann ich Amath sehen, die noch immer an derselben Stelle sitzt, wo ich sie verlassen habe. Ah! Sie schaut zu mir herüber. Ihr Lächeln ist sogar von Weitem zu sehen, und sie hört nicht auf zu lächeln, als ich näher und näher heranfliege, während meine nackten Füße die Erde nur noch mit den Zehen berühren. Sie ist sehr froh, mich mit dem Wasser zu sehen, das, wie sie vielleicht erkennen kann, sehr sauberes Wasser ist, sehr gut gefiltert und für alles geeignet, was sie sich erträumt. Schaut sie an! Ihre Augen sind riesig, als sie mich laufen sieht. Sie ist tatsächlich der einzige Mensch, der mich wirklich versteht. Sie ist nicht zu alt für mich, beschließe ich. Überhaupt nicht.
    Aber plötzlich liegt mein Gesicht im Staub. Mein Kinn blutet. Ich bin gestürzt, von einer hohen knorrigen Wurzel zu Fall gebracht, und der Kanister rollt davon.
    Ich habe Angst aufzublicken. Ich will nicht sehen, wie sie mich auslacht. Ich bin ein Trottel; ich habe bestimmt ihre Achtung und Bewunderung verspielt. Jetzt wird sie mich nicht mehr als fähigen und schnellen jungen Mann ansehen, der imstande ist, für sie zu sorgen und ihre Bedürfnisse zu erfüllen, sondern als albernen kleinen Jungen, der nicht einmal über ein Feld rennen kann, ohne auf sein jämmerliches Gesicht zu fallen.
    Das Wasser! Ich sehe rasch nach, doch es ist nicht ausgelaufen.
    Aber als ich den Kopf noch etwas weiter hebe, sehe ich sie auf mich zukommen. Das Lachen ist aus ihrem Gesicht verschwunden – es ist ernst wie immer, wenn sie mich ansieht. Ich springe schnell auf, um zu zeigen, dass ich unverletzt bin. Ich stehe da und spüre einen starken Schmerz am Kinn, aber ich lasse mir nichts anmerken. Als sie näher kommt, wird meine Kehle rau, und meine Lungen sind völlig leer gepumpt – ich bin so ein Trottel, denke ich, und die Welt ist ungerecht, wenn sie mich so demütigt. Aber ich verdränge das alles und stehe so gerade wie möglich.
    – Ich bin zu schnell gelaufen, sage ich.
    – Du bist wirklich schnell gelaufen, staunt sie.
    Dann ist sie ganz nah, und ich spüre ihre Hände auf mir. Sie wischt mir den Staub von Hemd und Hose, tastet mich ab, wobei sie missbilligend mit der Zunge schnalzt. Ich liebe sie. Sie sieht, wie

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