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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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nicht böse, aber er schaffte es nicht mehr, mich zum Lachen zu bringen.
    Noriyaki versuchte positiv zu bleiben.
    – Sie würden dein Gespräch nicht immer wieder neu ansetzen, wenn sie dich nicht haben wollten.
    Er hatte seinen Aufenthalt in Kakuma verlängert und als Grund dafür verschiedene organisatorische Formalitäten und Anweisungen seiner Vorgesetzten in Japan angeführt. Aber ich hatte das schreckliche Gefühl, dass er auf meinen Abflug wartete, ehe er selbst fortging. Schließlich fand ich heraus, dass er das tatsächlich so geplant hatte.
    – Vielleicht warten sie ja darauf, dass du zuerst gehst, gab ich ihm zu bedenken. Ich wollte unbedingt, dass er nach Hause zu seiner Verlobten zurückkehrte. Sie wartete schon lange genug auf ihn.
    – Das liegt leider nicht in meiner Macht, sagte er grinsend. – Ich habe meine Anweisungen.
    Endlich ein Wirbelsturm von einem Tag. Ich hatte für einen solchen Tag gebetet, und dann kam er. An einem einzigen Morgen erfuhr ich sowohl, dass mein Gespräch endlich stattfinden würde als auch, dass der Umsiedlungsantrag von Tabitha und ihren Brüdern angenommen worden waren. Es war ein verrückter Tag, der damit begann, dass Tabitha kurz vor Sonnenaufgang vor meiner Tür stand.
    – Wir gehen!, quietschte sie.
    Ich hatte die Tür noch nicht aufgemacht. Es gehörte sich nicht, dass sie allein an meine Tür kam, noch ehe der Tag richtig angebrochen war. Das flüsterte ich ihr beschwörend zu. Wir riskierten die Missbilligung aller, obwohl wir ihre Toleranz bestimmt schon genug strapaziert hatten.
    – Ist mir egal!, sagte sie jetzt lauter. – Ist mir egal, ist mir egal!
    Sie tanzte und quietschte und hüpfte.
    Als ich aufstand und wach genug war, um die Neuigkeit zu verstehen und, später, zu verarbeiten, war sie schon wieder weg, um die nächste Person zu wecken, der sie es erzählen wollte. Es wunderte mich nicht, dass sie mir diese Nachricht auf so unbekümmerte Art mitteilte. Es ist nun mal eine Tatsache, dass die Liebe in Kakuma nicht mit der Aussicht, das Lager verlassen zu können, konkurrieren konnte. Wie ich daraufhin erfuhr, sollte ihre Abreise schon zwei Wochen später sein, ich würde sie also nicht mehr allein und ungestört zu Gesicht bekommen. Ich hatte schon viele Hundert fortgehen sehen und ich wusste, dass zwischen dem Tag, an dem sie erfuhren, wann es losgehen sollte, und dem Abreisetag selbst kaum noch Zeit für irgendetwas blieb, schon gar nicht für romantische Treffen. Ich würde sie in Gruppen sehen, wenn sie rasch mit ihren Brüdern oder Freundinnen hin und her lief, um zahllose Kleinigkeiten zu erledigen. Ich glaube, wir fanden doch noch ein paar Augenblicke der Ungestörtheit, aber sie war bereits nicht mehr bei mir. In der Zeit, als so viele Kenia verließen, endeten alle Liebesgeschichten. Selbst wenn wir allein in ihrem oder meinem Haus zusammensaßen, sprach Tabitha nur über die Vereinigten Staaten, über Seattle, darüber, was sie dort vorfinden würde – Nairobi hoch zehn! lachte sie dann, – unbegrenzte Möglichkeiten!
    An dem Morgen, als sie mir diese Neuigkeit mitteilte, erhielt ich eine weitere, die mich selbst betraf. Tabithas Duft lag noch in der Luft, als eine zweite Stimme von der anderen Seite meiner Unterkunft ertönte.
    – Achak!
    Es gab nur wenige, die mich immer noch Achak nannten.
    – Wer ist da?
    Es war Cornelius, ein junger Nachbar von mir, ein Achtjähriger, der an einem regnerischen Tag in Kakuma zur Welt gekommen war und irgendwie immer alles als Erster erfuhr, vor allen anderen. Monate zuvor hatte er gewusst, welcher Flüchtling eine junge Turkana geschwängert hatte, und an diesem Tag erzählte er mir, er habe gehört, ich würde zu einem Umsiedlungsgespräch bestellt. Es war allgemein bekannt, dass Cornelius’ Informationen ausnahmslos richtig waren.
    Und so war es. Im Juli 2001, achtzehn Monate nach Beginn der Umsiedelungsaktion saß ich endlich in einem Raum aus Zementstein zwei Menschen gegenüber: einem weißen Amerikaner und einem sudanesischen Übersetzer. Der Amerikaner, rundgesichtig, mit kalten blauen Augen, stellte sich als Anwalt vor.
    – Es tut uns leid, Dominic. Uns ist klar, dass Sie sich über die verzögerte Bearbeitung Ihres Antrags wundern. Wahrscheinlich fragen Sie sich, warum zum Teufel das so lange gedauert hat.
    Ich widersprach ihm nicht. Ich hatte schon fast vergessen, dass ich in meiner Bewerbung den Namen Dominic benutzt hatte.
    Sie fingen mit leichten Fragen nach meinem Namen und meinem

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