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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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noch verdächtiger erscheinen. Ich muss bleiben, sonst …
    – Dann geh nach Uganda, flehte mein Vater. – Oder nach Kenia. Bitte.
    Die Männer blieben eine Weile sitzen. Bol lehnte sich zurück und zündete seine Pfeife an. Die Hütte wurde vom bitteren Rauch erfüllt. Bol betrachtete die Wand, als sei dort ein Fenster und hinter diesem Fenster ein Weg aus seiner Zwangslage.
    – Gut, sagte er schließlich. – Ich tu’s. Ich tu’s.
    Mein Vater grinste und berührte dann kurz Bols Hand.
    – Was tust du?
    – Marial Bai. Wir fahren hin. Ich komme mit dir.
    Bol Dut schien seiner Sache sicher. Er nickte mit Nachdruck.
    – Gut!, sagte mein Vater. – Das macht mich sehr froh, Bol. Gut.
    Bol Dut nickte weiter, als müsste er sich noch immer selbst überzeugen. Mein Vater saß stumm neben ihm und lächelte wenig überzeugend. Die beiden Männer saßen zusammen, während die Tiere sich der Nacht bemächtigten und die Lichter von Aweil zerklüftete Schatten über die Stadt warfen.
    Am nächsten Morgen war klar, was mit Bol Dut geschehen war und wer es getan hatte. Eine Gruppe von Frauen hatte ihn bei der Suche nach Feuerholz gefunden. Mein Vater war untröstlich, dann machte er sich systematisch daran, unsere Rückkehr nach Marial Bai vorzubereiten. Es wurde beschlossen, dass wir am nächsten Tag aufbrechen würden. Wir würden sofort mit dem Packen beginnen, ein Lastwagen sollte organisiert werden.
    Ich wollte Bol Dut sehen und überredete ein einheimisches Mädchen, mit dem ich mich angefreundet hatte, mitzukommen.
    – Nur mal kurz gucken, sagte ich.
    – Ich will ihn nicht sehen, sagte sie.
    – Er ist nicht mehr da, log ich. – Die haben ihn schon beerdigt. Wir schauen uns nur die Panzerspuren an.
    Wir folgten den Kettenspuren in der Erde und im Schlamm bis in den Wald. Die Spur sank hier tiefer in den Boden und verschwand dann und wann, wenn der Panzer durch ein Dickicht oder über Wurzeln gerollt war.
    – Hast du schon mal einen rollen sehen?, fragte sie.
    Ich bejahte.
    – Sind die schnell oder langsam?
    Ich konnte mich nicht erinnern. Wenn ich an den Panzer dachte, stellte ich mir die Hubschrauber vor. – Sehr schnell, antwortete ich.
    – Ich will nicht weiter, sagte sie.
    Sie sah den Mann zuerst, der mit gekreuzten Beinen auf einem Stuhl saß, an der Stelle, wo die Spur endete. Er saß ganz still da, allein, die Hände auf den Knien, den Rücken gerade, als hielte er Wache. Neben seinem Stuhl lag eine wollene Decke im Schlamm. Sie war so grau wie ein Fluss in der Dämmerung und in die Spur gedrückt, die der Panzer hinterlassen hatte. Ich sagte dem Mädchen, da sei nichts, aber ich wusste, dass es Bol Dut war.
    Sie wandte sich ab und machte sich auf den Heimweg. Ich folgte ihr.
    Früh am nächsten Morgen, an dem Tag, als meine Familie aufbrach, prasselte ein Kugelhagel gegen den Wellblechzaun um unseren Hof. Es war eine Botschaft an meinen Vater.
    – Die Regierung will, dass wir verschwinden, sagte mein Vater. Er warf unseren letzten Sack auf den Lastwagen und stieg dann zu uns ein. – In diesem Punkt bin ich mit der Regierung einer Meinung, sagte er und lachte. Meine Stiefmütter fanden das nicht komisch.
    Wir waren drei Monatefortgewesen. Als wir zurückkamen, fanden wir nur eine Reihe ringförmiger Brandspuren in der Erde vor. Ich weiß nicht, ob noch irgendwelche Häuser standen. Ich vermute, einige bestimmt, und die Familien, die in Marial Bai geblieben waren, waren gemeinsam dort eingezogen. Die Hütten meines Vaters waren zerstört. Als wir abgefahren waren, hatten, wenn auch beschädigt, noch immer drei Hütten und ein gemauertes Haus auf dem Hof meines Vaters gestanden. Jetzt war nichts mehr da, nur Schutt und Asche. Ich sprang vom Lastwagen und betrat die Ruine des gemauerten Hauses, in dem mein Vater geschlafen hatte. Eine Wand und der Kamin standen noch.
    Ich sah meine Schwester Amel, die gerade vom Brunnen zurückkam.
    – Die Murahilin waren da, sagte sie. – Wieso seid ihr hier?
    Ihr Eimer war leer. Der Brunnen war verseucht. Tote Ziegen und ein halb verkohlter Mann waren hineingeworfen worden.
    – Hier ist es nicht sicher, sagte sie. – Warum habt ihr Aweil verlassen?
    – Vater meinte, hier sei es sicher. Zumindest sicherer als in Aweil.
    – Hier ist es nicht sicher, Achak. Überhaupt nicht.
    – Aber hier sind doch die Rebellen. Und sie haben Gewehre.
    Ich hatte gehört, dass Manyok Bols Miliz, eine Rebellengruppe aus Bahr al-Ghazal, gelegentlich in Marial Bai auftauchte.
    –

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