Weit Gegangen: Roman (German Edition)
und durstig und voller Zorn auf das Dorf. Die Besprechung zwischen Dut und dem Häuptling dauerte übermäßig lang, und die Sonne stieg hoch über uns auf, musterte und strafte uns. Wir hatten keinen Schatten, und wir hatten Angst, uns von der Stelle zu bewegen. Aber bald konnten wir nicht mehr still sitzen. Einige Jungen gingen ein paar Hundert Meter, um sich unter einen Baum zu setzen. Andere, ältere Jungen, beschlossen, sich auf eigene Faust etwas zu essen zu besorgen. Wir sahen, wie sie in eine Hütte in der Nähe krochen und eine Kalabasse voller Nüsse fanden, mit der sie flohen.
Was dann folgte, war völliges Chaos. Zuerst die Schreie der Frauen. Dann etliche Männer, die die Verfolgung aufnahmen. Als sie die drei Diebe nicht schnappen konnten, kamen sie mit erhobenen Speeren auf uns Übrige zu. Wir, alle zweihundertfünfzig Jungen, stoben in alle Richtungen auseinander und landeten schließlich wieder auf dem Pfad, über den wir gekommen waren. Wir rannten eine Stunde lang, die Männer hinter uns her, und sie erwischten einige von den langsameren Jungen und schlugen sie, während wir fast die ganze Strecke zurückliefen, die wir den ganzen Tag über gegangen waren. Deshalb dauerte unsere Wanderung länger, als sie hätte dauern müssen: Wir folgten keiner geraden Strecke, nein, alles andere als das.
Als wir schließlich stehen blieben, rief Kur uns zusammen und zählte uns. Sechs fehlten. – Wo ist Dut? fragte er.
Wir hatten keine Ahnung. Kur war der Älteste von uns, also erwarteten wir anderen, dass er uns sagte, was wir machen sollten. Er wusste nicht, wo Dut war, und das machte uns Angst.
– Wir bleiben hier und warten, bis Dut kommt, sagte er.
Fünf Jungen waren verletzt. Einer war an der Schulter von einem Speer getroffen worden. Diesen Jungen trug Kur unter einem Baum und gab ihm Wasser. Kur wusste nicht, wie er dem Jungen helfen sollte. Der einzige Ort, wo man ihm hätte helfen können, war das Dorf, das ihm das angetan hatte. Wir hatten nichts und niemanden, um irgendeine Wunde zu versorgen.
Drei Jungen wurden mit dem am schlimmsten verletzten Jungen zur Behandlung zurück in das Dorf geschickt. Ich weiß nicht, was diesen Jungen widerfuhr, denn wir sahen sie nie wieder. Ich hoffe einfach, dass sie von den Dorfbewohnern aufgenommen wurden, weil es ihnen leidtat, dass sie uns so schlecht behandelt hatten.
Es waren schlimme Tage. Dut stieß erst nach einem vollen Tag wieder zu uns, und in der Zwischenzeit hatte Kur das Sagen. Das war an und für sich kein Nachteil. Kur hatte anscheinend einen besseren Orientierungssinn als Dut, und seine Unsicherheit darüber, wohin unser Weg führte, war zumindest weniger deutlich. Aber Dut war unser Anführer, auch wenn er uns oft Unglück brachte. Kurz nach seiner Rückkehr sprang ein Löwe in der Dunkelheit über unseren Pfad und tötete zwei Jungen, die er im hohen Gras verschlang. Wir blieben nicht lange stehen, um das mit anzuhören.
Wenn wir anderen Reisenden begegneten, warnten sie uns vor den Murahilin in der Umgebung. Ständig waren wir fluchtbereit; jeder Junge hatte einen Plan, falls die Milizionäre kämen. Jede neue Gegend, in die wir kamen, musste zuerst nach Verstecken abgesucht werden, nach Fluchtwegen. Wir wussten, dass an den Gerüchten, die Murahilin seien in der Nähe, etwas dran war, weil Deng eine ihrer Kopfbedeckungen trug.
Er hatte sie in einem Baum hängen sehen, als wir mit bleiernen Gliedern, aber wachen Augen daran vorbeikamen. Ein weißes Stück Stoff, das sich in den Zweigen verfangen hatte und im Wind flatterte. Ich hob Deng hoch, damit er es runterholen konnte, und Kur bestätigte uns, dass es von einem Baggara getragen worden war. Wir hatten keine Erklärung dafür, wie es da oben im Baum gelandet sein mochte.
– Darf ich es tragen?, fragte Deng Kur.
– Willst du es so tragen wie ein Araber?
– Nein. Ich werde es anders tragen.
Und das tat er auch. Er legte es sich lose über den Kopf, was lächerlich aussah, ihm aber Kühlung verschaffte, wie er behauptete. Die Mühe, die er darauf verwendete, damit es ihm nicht in die Augen rutschte oder zu Boden fiel, hob zweifellos jeden unmittelbaren Vorteil wieder auf, aber ich sagte nichts. Ich wusste, so ein kräftiges Stück Stoff könnte sich irgendwann als nützlich erweisen.
Aber bald war das alles vorbei, und ich war zu Hause. Ich war zu Hause und half meiner Mutter mit dem Feuer. Meine Brüder spielten unweit vom Hof, und mein Vater saß draußen auf seinem Stuhl,
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