Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Fahrzeug zu haben ist die beste Art, um sich auf diesem Kontinent fortzubewegen. Zwar hat Australien ein gutes Netz von Überlandbussen, doch man ist damit zwangsläufig an eine bestimmte Strecke gebunden und an einen strikten Fahrplan. Ein Auto ermöglicht einem, hier mal schnell abzubiegen, dort mal einen Zwischenstopp einzulegen, da mal ein Foto zu schießen.
Gemessen an der Bürokratie, die in Australien normalerweise herrscht, ist der Kaufprozess für ein Fahrzeug relativ simpel. Jedes Auto muss mit einem sogenannten »Pink Slip« ausgestattet sein, einem Formular, auf dem ein lizenzierter Mechaniker nach einer Kontrolle mit Stempel und Unterschrift bestätigt, dass das Fahrzeug auch wirklich in einem fahrbaren Zustand ist. Dann braucht man einen »Green Slip«, eine Haftpflichtversicherung, die man bei der australischen Version des ADAC kaufen kann. Mit diesen Papieren geht’s zum Straßenverkehrsamt, zur Anmeldung. Ein paar Hundert Dollar Gebühren später ist man stolzer Besitzer eines Autos. Kompliziert wird es erst, wenn das Fahrzeug in einem anderen Bundesstaat angemeldet ist. Die Umschreibung überschreitet bei billigen Autos nicht selten den Wert des Fahrzeugs. In der Regel lohnt sich der Erwerb eines Wagens aber nur, wenn man mindestens vier Monate durch Australien reist, besser aber noch länger. Denn der Kauf und Verkauf kann dauern. Wenn man unter Zeitdruck ist, geht das ganz schön an die Nerven. Ich habe in Sydney schon Backpacker getroffen, die mir ihr Auto für ein paar hundert Dollar andrehen wollten, weil sie am nächsten Tag nach Hause fliegen mussten.
Brigitte und ich hatten Glück: Schon am zweiten Tag konnten wir in Darwin einer Australierin einen Ford Falcon abkaufen. 800 Dollar. Der Wagen – »made in Australia« – war vom Typ her ein amerikanischer Straßenkreuzer. Unsere Reise auf dem Stuart Highway führte uns ins Zentrum von Australien, nach Alice Springs. 1500 Kilometer, fast nur geradeaus. Für die Menschen im Northern Territory ist diese Straße bis heute verkehrsmäßig und wirtschaftlich die Hauptschlagader. Praktisch alle Güter werden über den Stuart Highway vom Süden in den Norden transportiert und zurück. In der Regel sind es bis zu 52 Meter lange »Road Trains« – ein Zugfahrzeug mit drei Anhängern, in denen die Waren transportiert werden. Australien hat die größten und schwersten Road Trains der Welt – bis zu 200 Tonnen können sie transportieren, je nach Konfigurierung. Tag und Nacht donnern diese Monster über die Highways. Wer in einem Auto mit Vollgas einen Road Train kreuzt, spürt, woher der Name »Straßenzug« kommt. Man hat das Gefühl, einen Güterzug zu passieren. Doch die Furcht, der Luftdruck könnte einen von der Straße fegen, ist unbegründet. Solange man das Steuer seines Wagens festhält und nicht die Nerven verliert, gewöhnt man sich schnell an die Giganten. Unfälle mit Road Trains gibt es erstaunlich selten und in der Regel dann, wenn Fahrzeuge versuchen, sie an unübersichtlichen Stellen zu überholen. Ein vollbeladener Road Train kann einen Bremsweg von bis zu 500 Metern haben. So macht es für die Fahrer selten Sinn, auf offener Strecke überhaupt eine Vollbremsung einzuleiten. Auch nicht, wenn eine Kuhherde auf der Straße liegt und sich in der kalten Nacht der australischen Wüste auf dem von der Sonne aufgeheizten Asphalt aufwärmt. Hunderte von aufgedunsenen stinkenden Rinderkörpern säumen den Rand des Stuart Highway.
Brigitte und ich stritten uns oft. Schon in Asien war das Reisen nicht einfach gewesen für uns. Das monatelange Zusammensein, der Stress, der nun mal zum Reisen gehört, gingen an die Substanz. Risse in unserer Beziehung, von denen ich schon in der Schweiz wusste, sie aber verdrängt hatte, begannen, sich zu zeigen.
Doch es ging trotzdem, irgendwie.
Nach einem großen Einkauf in Alice Springs, der einzigen Stadt in Zentralaustralien, reisten wir in die MacDonnell Ranges. Dieser Gebirgszug zieht sich über 644 Kilometer östlich und westlich von Alice Springs. Wir fuhren auf dem »Namajira Drive« in Richtung Westen. Endziel war die Farm Glen Helen. Danach hört die Strecke für nicht geländegängige Autos auf. Es ging in die Wüste, in Richtung Grenze zum Bundesstaat Westaustralien. Es ist eines der isoliertesten Gebiete auf dem Planeten. Ohne Allrad sitzt man schon nach den ersten Kilometern fest.
Das MacDonnell-Gebirge ist der Überrest eines Bergzuges, der einmal höher gewesen sei als der Mount
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