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Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
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Höhe, ein von den lokalen Ureinwohnern als heilig verehrtes Gebiet. Wir stiegen am frühen Morgen auf das Plateau, bevor die Hitze der aufgehenden Sonne die steile Kletterpartie unmöglich machen würde. Christine spazierte mit Paul, ich mit Brigitte.
    Die Signale waren erst ganz schüchtern, versteckt. Ein Blick, wenn wir uns unbeobachtet fühlten. Eine flüchtige Berührung, wenn wir uns ganz sicher waren. Aber niemals ein Wort.
    Ein paar Tage später, und wir hatten endlich Gelegenheit für ein kurzes Gespräch. Es war eigentlich nur ein Flüstern. Mitten in der Nacht, auf dem Campingplatz von Ayers Rock, oder Uluru, wie die Anangu-Ureinwohner den roten Berg nennen.
    »Ich kann in dieser Hitze nicht im Zelt schlafen«, sagte ich zu Brigitte. Auch Christine nutzte die hohen Temperaturen in dieser Sommernacht als Ausrede, um auf einem der tiefliegenden Tische zu schlafen, neben mir. So lagen wir da, in unseren Schlafsäcken, nur ein paar Meter von den Zelten entfernt, in denen unsere Partner schliefen, und stellten uns nur eine Frage: Was ist mit uns los? Wir wussten beide die Antwort, aber wir sprachen sie nicht aus. Mehr gab’s nicht. Kein Berühren, nicht mal einen Kuss. Brigitte und Paul lagen in ihren Zelten so dicht neben uns, dass wir sie atmen hörten.
    Ich war jedenfalls froh, als die Sonne aufging. Damals war es noch üblich, den Uluru zu besteigen. So zogen auch wir uns an der dicken Kette hoch, über den steilen Rücken dieses roten Felsens, wie eine Reihe von Ameisen. Wir taten es, ohne zu wissen, dass wir uns der Respektlosigkeit schuldig machten gegenüber den Wünschen der Anangu. Vom Uluru hat man eine atemberaubende Sicht auf die Umgebung, allem voran auf die Gebirgskette der Kata Tjuta, früher Olgas genannt. Heute bitten Schrifttafeln am Fuße des Berges Besucherinnen und Besucher, den Wunsch der Anangu zu respektieren und nicht zu klettern. Dieser Berg ist so heilig, dass er nur von einer kleinen Gruppe von initiierten Ältesten bestiegen werden darf. »Und auch das nur in ganz besonderen Fällen«, erzählte mir später Cassidy Uluru, einer der traditionellen Besitzer des Heiligtums. Er dankte mir, dass ich mich für mein ignorantes Vergehen damals entschuldigte. Es sei nicht nur wegen der spirituellen Bedeutung, weshalb die Anangu nicht möchten, dass Leute auf den Berg klettern. »Wir wollen nicht, dass den Menschen, die uns mit ihrem Besuch auf unserem Land beehren, etwas Schlechtes geschieht. Wir sind für sie verantwortlich.« Dutzende von Besuchern sind in den letzten Jahrzehnten beim Besteigen des Uluru gestorben. Oder kurz danach. Hitze, Überanstrengung, Erschöpfung, Herzschlag. »Die Rache der Geister, die hier leben«, sagte mir einmal ein anderes Mitglied der Anangu. Wer heute noch auf den Uluru steigt, trotz der ausdrücklichen Wünsche der Ureinwohner, begeht eine ebenso unentschuldbare Kultursünde, als würde er im Kölner Dom auf den Altar urinieren.

    Paul war der Erste, der etwas spürte. Er wurde immer stiller, verschlossener und brauste gelegentlich wütend auf. »Was ist denn mit dem los?«, fragte Brigitte, als wir auf dem Stuart Highway weiter in Richtung Süden fuhren. Petra und Karl waren vor zwei Tagen ihre eigenen Wege gegangen. So waren nur noch wir vier zusammen. Christine und Paul fuhren in ihrem Auto, wir in unserem. »Lass uns auch abhauen«, schlug Brigitte vor. Ich war in Panik. Nur das nicht, dachte ich, sonst sehe ich diese Frau nie wieder.
    Die Situation wurde mit jeder Stunde schwieriger. Die Spannung war kaum noch auszuhalten. Unausgesprochene Worte, Gefühle. Wie Felsen hinter einem Staudamm, der jede Sekunde brechen kann. Mein schlechtes Gewissen Brigitte gegenüber fraß mich fast auf.
    Das Ende kam am Truckstop von Marla, einer Tankstelle irgendwo im Nirgendwo am Stuart Highway. Wir machten Pause. Auf einer Wiese, unter ein paar Eukalyptusbäumen, versuchten wir, der unerbittlichen Hitze der Mittagssonne auszuweichen. Paul sprach inzwischen kein Wort mehr. Der Mann wusste genau, was Sache war. Hinter dem Toilettenblock hatte ich endlich die Gelegenheit, ein paar Sekunden lang mit Christine zu sprechen. Sie war in Tränen aufgelöst. Paul hatte wissen wollen, was los war. Und sie hatte ihm alles erzählt. »Ich muss es jetzt auch Brigitte sagen«, flüsterte ich. Christine nickte und drückte mir einen Zettel mit einer Telefonnummer in die Hand. »Ruf mich da an, wenn ihr in Adelaide seid.« Ich ging zurück zum Fahrzeug. »Lass uns abhauen«, sagte

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