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Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
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erzählt, »sonst sind wir morgen tot.« Ihr Appell fand Gehör. Die Vereinten Nationen beschlossen die Intervention. Führen sollte sie Australien, der größte westliche Nachbar.
    »Flieg«, sagt mein Redakteur. »Aber pass auf dich auf.«
    Im Flugzeug nach Darwin überlege ich, welche Chancen ich wohl haben werde, einen Flug nach Dili buchen zu können. »Keine«, so die Antwort der netten Frau am Schalter von Air North am Flughafen. »Alle Flüge sind gestrichen. Viel zu gefährlich.« So fahre ich in die Stadt. Es wimmelt nur so von Journalisten und von Soldaten. Im Hafen von Darwin, dem nördlichsten Australiens, sind Kriegsschiffe aus Großbritannien eingetroffen, aus den Vereinigten Staaten, Neuseeland und vielen anderen Ländern. Und natürlich ist die australische Armee da. Ein gutes Dutzend Schiffe hat Canberra geschickt. Die Truppen sind Teil einer Koalition, die von den Vereinten Nationen zusammengestellt wurde. Premierminister John Howard, als Regierungschef des nächstgelegenen westlichen Staates, hat die politische Führung übernommen. Im Fernsehen präsentiert er sich in Feldherrenpose. Howard ist klein gewachsen. Napoleon Downunder. Kinn hoch, Mundwinkel runter, ernster Blick. Es gehe darum, in Osttimor die Menschen zu schützen, sagt er ernst. Vom Hunger seiner Regierung nach den Rohstoffen, die zwischen dem Kontinent und Osttimor schlummern, sagt er nichts.
    In der Bar »Roma«, bei einem der besten Espressos, die man südlich von Sizilien trinken kann, treffe ich Chris. Er ist einer meiner ältesten Kollegen. Chris ist Reporter für Channel Nine, der größten privaten australischen Fernsehstation. Auch er hat den Auftrag, mit seinem Team nach Dili zu fliegen, um von dort über die Intervention zu berichten. Doch Chris hat mir gegenüber zwei Vorteile: Er ist nicht nur britischer Staatsbürger, er arbeitet für ein australisches Medium. Ich nicht. Deutschland ist noch nicht Teil der Koalition, und die Schweiz als neutrales Land ist ohnehin nicht involviert. Für die Medienleute der australischen Armee existiere ich deshalb ganz einfach nicht. Am Nachmittag, zum vierten Mal an diesem Tag, frage ich bei der Pressestelle nach, ob ich nicht mit einer Militärmaschine nach Dili fliegen könnte. So wie Dutzende von Kollegen aus den Koalitionsländern es in diesen Stunden tun. »Sorry«, sagt Nina, die junge Soldatin, und schaut mich an wie einen räudigen Hund, der einem auf der Straße entgegenkommt. »Sorry«, sagt auch Chris, »ich würde dich gerne mitnehmen.« Am Abend fliegt er mit einer australischen Transportmaschine nach Dili. Ich gehe an den Hafen und interviewe ein paar Soldaten, die sich auf den Einsatz vorbereiten. Der Kommandant eines britischen Zerstörers, ein Freund von Chris, gibt mir sogar eine Privatführung über das Schiff. Doch mitnehmen, nein, könne er mich leider nicht. So muss ich zuschauen, wie die letzten Kriegsschiffe aufbrechen, Richtung Norden, Richtung Dili. Ich schreibe an diesem Abend drei Berichte über die »Invasion«, aus der Sicht der abfahrenden Truppen. Dann lege ich mich hin, frustriert, entmutigt. An der Decke dröhnt der Ventilator. Ich schließe kaum ein Auge.
    Am nächsten Morgen, beim dritten Espresso im »Roma«, sehe ich Chris im Fernsehen. Live-Schaltung. Er steht im Vorhof des Hotels »Tourismo« in Dili, das Tor im Hintergrund bewacht von schwerbewaffneten australischen Soldaten und amerikanischen Marines. Die Lage sei hochgradig instabil, berichtet er, und extrem gefährlich. Nur einen Häuserblock weiter werde die Stadt von den Milizen kontrolliert. Die ganze Nacht über Schüsse. Ich muss da hin! Ich rufe die deutsche Botschaft in Canberra an. Der Presseattaché ist ein netter Mann, ich kenne ihn seit Jahren. Ich erkläre ihm, dass ich hier der einzige deutschsprachige Zeitungsvertreter bin und man mich nicht nach Dili lassen wolle. »Deutschland wird also keine eigene Berichterstattung aus diesem Konflikt haben«, sage ich. »Ich werde mich drum kümmern«, meint er.
    Ich habe wenig Hoffnung.
    Es ist 43 Grad heiß in Darwin, als ich einmal mehr mutlos die Treppe zum Medienbüro hochsteige, bereit für Ninas bösen Blick. »Sir, nett, Sie zu sehen. Möchten Sie einen Tee?«, fragt die Soldatin. Ich traue meinen Ohren nicht. »Wir haben einen Flug für Sie«, sagt Nina in ihrer viel zu großen Tarnuniform. Ich solle in mein Hotel gehen und mit gepackten Sachen auf einen Anruf warten. »Wenn es so weit ist, haben Sie dreißig Minuten, um zum

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