Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Militärflughafen zu fahren.« Ein Anruf des deutschen Botschafters beim australischen Außenministerium scheint Wunder gewirkt zu haben. Jahre später erfahre ich auf Umwegen, sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder habe sich noch eingesetzt. »Mit einem Anruf vom Golfplatz aus«, so meine Quelle. Keine Ahnung, ob das stimmt. Gut ist die Geschichte trotzdem.
Ich renne los. Am nächsten Morgen, es ist vier Uhr, klingelt das Telefon. In 15 Minuten bin ich am Flughafen. Man führt mich zu einer neuseeländischen Herkules, einem riesigen Transportflugzeug. »Willkommen, Sir«, sagt ein netter Kiwi-Soldat und schnallt mich im Frachtraum in einen Sitz. Neben mir sitzen eine japanische Kollegin in High Heels, vier verschlafene Soldaten, drei Soldatinnen. Vor mir, festgezurrt mit breiten orangen Bändern, zwei Geländefahrzeuge und eine Art Schützenpanzer. Die Maschine wirft ihre Motoren an. Das Dröhnen ist nur auszuhalten, weil ich einen Gehörschutz trage. Wir heben ab. Unter uns die Lichter der erwachenden Stadt Darwin.
Vor uns Tod, Zerstörung und Verzweiflung.
Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Meine Gefühle schwanken zwischen Unsicherheit, Angst und der Hoffnung auf ein paar wirklich gute Geschichten. In Darwin war uns gesagt worden, die Maschine werde nur kurz landen können, »wegen der Scharfschützen«. Der Flughafen von Dili stünde noch immer im Fadenkreuz der Milizen, die eine Intervention verhindern wollten. Wir haben nur wenige Minuten, um aus dem Heck der Herkules zu springen, während die Soldaten die Fahrzeuge entladen. »Gehen Sie sofort in Deckung«, meint der nette Soldat, »Goodbye und viel Glück.« Mit meinem Rucksack, gefüllt mit Nudeln, Konservendosen, einem Wasserfilter und zwei Litern Scotch, renne ich in Richtung Terminal. Lisa, meine japanische Korrespondentenkollegin, gekleidet, als wäre sie auf dem Weg zu einer Vernissage, ist dicht hinter mir. Das Flughafengebäude sieht aus, als wäre ein Wirbelsturm durch die Hallen gefegt. Zerstörte Scheiben, überall auf dem Boden Formulare, gelbe, grüne, weiße. An den Wänden Blutspuren. Und überall Fliegen. Es dauert zwei Stunden, bis wir den Fahrer eines Kleinbusses überzeugen können, uns in die Stadt mitzunehmen. Für 200 Dollar pro Person. »Aber ihr müsst euch bücken, damit euch die Milizen nicht sehen«, meint er auf Indonesisch. »Ich will nicht eine Kugel einfangen, die für euch bestimmt ist.«
Kann ich verstehen.
Die 20 Minuten Fahrt vom Flughafen an die Strandpromenade von Dili gehören zu den längsten meines Lebens. Wir liegen auf dem Boden des Minibusses. In unseren Nasen spüren wir den süßlichen Geruch des Todes. Von den Milizen Tag und Nacht bedroht, hatten die Menschen hier bisher kaum Gelegenheit, die verwesenden Leichen ihrer Angehörigen zu begraben. Vor dem Hotel »Tourismo« lädt uns der Fahrer ab. Früher die erste Adresse für Besucher der Stadt, gleich gegenüber dem Strand, ist der hohe Metallzaun nun mit Ketten gesichert. Ein halbes Dutzend australischer Soldaten in Kampfmontur schaut uns argwöhnisch an. Wir weisen uns beim Kommandanten als Journalisten aus. »Kein Platz für Nicht-Koalitionsmitglieder hier«, meint er. Als wir protestieren, hebt der Sergeant seine Waffe und richtet sie auf meinen Kopf. »Haut ab!«, meint er. »Jetzt!«
Der Lauf eines halbautomatischen Gewehres an der Stirn ist ein überzeugendes Argument. Ein paar hundert Meter weiter finden wir Unterschlupf in einem katholischen Kloster. Es ist leer. Die Nonnen seien alle geflohen oder von Milizen getötet worden, sagt uns eine alte Frau. In den kommenden Tagen treffen immer mehr Journalisten ein. Wir unterstützen uns gegenseitig, teilen das wenige Essen, das es gibt. In einem Minibus wagen wir uns in die von Milizen kontrollierten hinteren Gebiete der Stadt. Flüchtlinge interviewen, die Leichen von Opfern filmen, die von den Milizen in Tiefbrunnen geworfen worden waren. Und immer wieder davonrasen, wenn wir Schüsse hören. Zweimal nehmen uns Aufständische ins Visier. Kugeln verfehlen nur um Millimeter den Kopf einer britischen Kollegin. Unser Bus hat keine Bremsen. Dafür einen durchgerosteten Boden. Wir müssen unsere Füße benutzen, um das Fahrzeug zum Stillstand zu bringen. Nach zwei Tagen sind die Sohlen meiner Schuhe weg. Lisa hat blutige Fersen. Aber immer noch Stil. Auf Lippenstift und Mascara verzichtet sie auch im Krieg nicht.
Im Kloster wird das Essen immer knapper. Die Nudeln, die ich aus Australien
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