Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
langsam, die ersten Solarpanel installiert. Corina macht den Anfang, aber ich bin frustriert über den Mangel an Tempo. Die Ignoranz gegenüber logischem Denken, die in diesem Kaff herrscht, die Weigerung, über den Tellerrand zu schauen, sie treiben mich gelegentlich zur Weißglut.
Von daher bin ich froh, dass ich immer mal wieder auf die Piste kann. Ich fliege nach Brisbane. Dann ein Verbindungsflug ins Hinterland.
Und auf einen Schlag bin ich in einer anderen Welt.
»Holy fuck«, sagt Damien, als er den Bagger sieht. Wenn man sich mal an seine Gossensprache gewöhnt hat, ist er eigentlich ganz nett, mein australischer Reporterkollege. Wir sind in einer Kohlemine im Bundesstaat Queensland, im »Ground Zero« des australischen Rohstoffbooms sozusagen, dem Epizentrum, dem Nukleus. Hoch wie ein Hochhaus ist der Bagger, dessen Schaufel sich in die Wand frisst, hundert Tonnen Kohle alle paar Minuten. Rund um die Uhr. 365 Tage im Jahr. »Hier gibt’s keine Weihnachten«, sagt Shaun, unser Begleiter von BHP Billiton, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im Konzern. »Jede Sekunde zählt.« Damien und ich sind Teil einer Gruppe von Journalisten, die vom größten Rohstoffunternehmen der Welt in eine der größten Tagebauminen der Welt eingeladen wurden. Acht Kilometer lang, ein paar Hundert Meter breit, Hunderte Meter tief. Ein gigantisches Loch in der roten Erde des australischen Outback. Auf beiden Seiten der Ausgrabung ein schwarzer Streifen, etwa 20 Meter breit, bedeckt von etwa zehn Metern Erde. Hier ruht das schwarze Gold Australiens – Kohle. Die Überreste urtümlicher Urwälder werden ausgekratzt, Tonnen um Tonnen, mit stählernen Schaufeln, jede so groß wie ein Einfamilienhaus. Wir sind ausgerüstet mit Schutzanzug, Helm, Schutzbrille und Stiefeln mit Stahlkappen. Und mit einer Schutzmaske. Kohlestaub ist gefährliches Zeug. Aus wuchtigen Kanonen donnert Wasserspray auf den Abbaustoß der Mine, dort, wo der Bagger gräbt. Es soll den Staub binden. »Die Mine verbraucht am Tag so viel Wasser wie eine Kleinstadt in einem Monat«, sagt Shaun. Für einen Moment habe ich den Eindruck, er sei stolz darauf.
In unserem Luxusjet, mit Sesseln aus Kalbsleder, in denen normalerweise die Hintern von Bergbaumillionären und Investmentbankern ruhen, fliegen wir weiter. Vor der Hafenstadt docken die Schiffe aus China an, um die Kohle zu laden. Mindestens ein Dutzend riesige Frachter warten zu jeder Tages- und Nachtzeit darauf, bis sie an der Reihe sind, tagelang. Das dürfte der teuerste Stau der Welt sein. »Jede Minute, in der so ein Schiff sich nicht bewegt, kostet Tausende von Dollar«, sagt der Hafenmeister. »Das Beladen dauert dann nur ein paar Stunden.« Vom Kontrollturm aus erinnert mich die Szene an die Plastiklandschaft der Märklin-Modelleisenbahn, die ich als Kind zu Weihnachten in einem Einkaufszentrum bewundert hatte.
Die Enormität der Anlagen ist hypnotisch. Man kann seine Augen kaum abwenden. »Lasst uns was essen gehen«, unterbricht uns Shaun. In einem noblen Restaurant gibt’s Meeresfrüchte und australischen Chardonnay. BHP Billiton ist nett zu uns. Zwischen Krabben und Austern erzählt Shaun, wie umweltfreundlich sein Unternehmen sei. Er ist ein umgänglicher Mann, man fühlt sich vom ersten Moment an wohl bei ihm. Vom Aussehen her erinnert er mich an Robert Redford in jüngeren Jahren. »Bist du zufrieden, Urs?«, fragt er mich fürsorglich, klopft mir auf die Schulter und schenkt mir noch etwas Chardonnay ein. Der Besuch von Minen, von Verladeanlagen, von Häfen – für viele Auslandskorrespondenten in Australien ist das Routine. Rohstoffunternehmen sind interessiert, Vertretern von Wirtschaftszeitungen ihre Anlagen zu zeigen. Investoren sollen erfahren, wie effizient, umweltbewusst und sozial verantwortlich sie die Rohstoffe ausbeuten.
Australien hat praktisch jeden fossilen Energieträger im Boden, jedes Mineral, das man sich vorstellen kann. Und ungeheure Mengen davon. Schwarz- und Braunkohle für Hunderte weitere Jahre Ausbeutung, sagt eine Prognose. Eisenerz, Blei, Zinn, Silber, Kupfer, Mangan, Gold, Uran, Nickel und Bauxit – die Produktpalette der australischen Rohstoffindustrie liest sich wie die Menükarte der Weltwirtschaft. Firmen wie BHP Billiton haben es schon lange nicht mehr wirklich nötig, die Werbetrommel zu rühren. Die Investoren kommen auch so. Aus aller Welt, vor allem aus Asien. Längst wird nicht mehr in Millionen Dollar abgerechnet, sondern in Milliarden. Ob
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