Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Nachfrage für Rohstoffe ist in dieser Zeit in Höhen gestiegen, wie sie Australien noch nie zuvor erlebt hatte, auch die Preise. 2005 war eine Schiffsladung Eisenerz so viel wert wie 2200 Flachbildfernseher. Fünf Jahre später konnte man damit 22 000 Fernseher kaufen. Gleichzeitig flossen über Steuern Milliarden in die Kasse der Nationalregierung und über Lizenzabgaben zu den rohstoffreichen Bundesstaaten, allen voran Westaustralien und Queensland.
Doch die Entscheidungsträger, die Politiker, haben wenig Interesse daran, diesen einzigartigen Wohlstand auch für kommende Generationen zu sichern. »Unsere politischen Führer geben das Geld mit vollen Händen aus«, sagt Paul Cleary, »obwohl es aus der Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen stammt.« Und diese gingen – wenn sie auch reichlich vorhanden sind – irgendwann zu Ende. Wie viele Experten empfiehlt Cleary, dass Australien mit den Milliarden einen Staatsfonds anlegen solle – »für die Zeit, wenn der Boom zu Staub zerfällt«. Andere Rohstoffländer machten es vor: Norwegen, Chile und sogar der kleine Nachbar Osttimor würden einen Teil des Einkommens anlegen – für schlechte Zeiten. Doch solche Ideen werden von den meisten Politikern als unnötig abgeschmettert. Das Anlegen eines Polsters für die Zukunft sei »Aufgabe des Einzelnen«, sollte später der Labor-Schatzkanzler Wayne Swan zu Protokoll geben, nicht Aufgabe des Staates. Es gebe seit den neunziger Jahren schließlich das private Rentensystem, in dem arbeitstätige Australierinnen und Australier per Gesetz vorsorgen müssten. Rentenfonds investierten auch in Rohstoffunternehmen. Eine absurde Argumentation. Das eine ist privates Geld, vom Einzelnen auf die hohe Kante gelegt für sein Alter. Das andere ist öffentliches Geld, einsatzbereit für die Zeit, wenn die Blase platzt.
Einmal mehr offenbart sich das kurzsichtige Denken, das mir in diesem Land an jeder Straßenecke zu begegnen scheint. Dabei müsste Australien wie kaum ein anderes Land der westlichen Welt wissen, dass – wirtschaftlich gesehen – jedem Festessen der Hunger folgt. Ich denke an die Wolle, an den »Rücken der Schafe«, auf dem dieses Land einst geritten war, bevor Nylon der Naturfaser den Garaus machte. Hunderte von Millionen Tonnen Wolle exportierte Australien im Verlauf von zwei Jahrhunderten – früher ins Mutterland Großbritannien, heute in der Regel nach China. In dieser ganzen Zeit schaffte es das Land nicht, aus diesem eigentlich edlen Rohstoff ein hochwertiges Produkt zu machen, das auch nach dem Siegeszug der Kunstfaser noch gefragt gewesen wäre. Selbst die Versuche scheiterten, Wolle im Land selbst zu spinnen und wenigstens etwas zu veredeln und sie erst als wertvermehrtes, deutlich teureres Produkt in die Welt zu exportieren. Stattdessen wird Wolle bis zum heutigen Tag für ein paar Cents pro Kilo roh in Ballen nach China verschifft, nur um ein paar Monate später in Form von Pullovern und langen Unterhosen wieder importiert zu werden – zum tausendfachen Preis.
»Wir Australier sind schlichtweg zu faul, unsere Rohmaterialen zu veredeln und neue Märkte zu entwickeln. Denn es geht ja auch ohne«, sagt Damien. Australisches Eisenerz wird für ein paar Dollar pro Tonne nach China verkauft, nur um später in Form von Stahlträgern wieder importiert zu werden. So kommt es zur absurden Situation, dass ein großer Teil des Stahls, der zum Bau von australischen Eisenerzminen verwendet wird, aus China stammt, aber aus australischem Eisenerz gegossen ist.
Der jüngste Rohstoffboom mag zwar ein Jahrhundertboom sein. Er stehe aber auf schwachen Beinen, sagen Kritiker wie Paul Cleary. Das habe in den letzten Jahren die globale Finanzkrise gezeigt. »Sie legte unsere Schwächen offen«, erklärt Cleary. In den drei Jahren vor der Krise hatte die Regierung 334 Milliarden zusätzliche Dollar in der Kasse. Doch das Geld wurde vom damaligen Premierminister John Howard ausgegeben – in Form von sogenannter »Wohlfahrt für die Mittelklasse«. Mit Steuererleichterungen für Gutverdienende und mit absurden Subventionen wie etwa der Bezahlung von 5000 Dollar für das erste Kind und 3000 Dollar für jedes weitere versuchte die konservative Regierung, sich die Wählergunst zu sichern. Die Regierung wollte auf diese Weise die Geburtenzahl ankurbeln. »Ein Kind für Mama, eines für Papa und eines für das Land«, so der Spruch des damaligen Schatzkanzlers Peter Costello. »Um’s ehrlich zu sagen«,
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