Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
umbrachte. Ich war mit Brigitte unterwegs. Es war die Reise, die wir damals in der Schweiz geplant hatten, kurz nach meinem Erlebnis mit der Hellseherin Madame Aba. Brigitte und ich reisten rund um die Welt, ein Jahr lang. Unsere Traumreise.
Sie sollte der Test für unsere Beziehung werden und das Ende.
Wir schliefen meist in Billigunterkünften, aber in Bali leisteten wir uns ein Doppelzimmer nur für uns. Doch auch in dieser Herberge war der Luxus begrenzt. Als ich in dem düsteren Zimmer den Schrank öffnete, schauten mich mindestens ein Dutzend Ratten an. Ich weiß nicht, wer sich mehr erschreckte – die Ratten oder ich. Jedenfalls hatten wir unsere Rucksäcke noch nie so schnell gepackt wie an diesem Tag. Im nächsten Zimmer war zumindest der Schrank rattenfrei. Es dauerte nur zehn Minuten, als ich aus dem Bad einen markerschütternden Schrei hörte. Brigitte stürmte aus der Tür. »Ratte, Ratte!«, schrie sie. Als ich ins Badezimmer ging, sah ich, wie sich eine Ratte aus der Kloschüssel auf den Rand hochhangelte, mich mit selbstbewusstem Blick ansah und dann, nach einem weiten Sprung, im Abflussloch der Dusche verschwand.
Ich weiß nicht, ob die unhygienischen Zustände in diesem »Backpacker-Hotel« verantwortlich waren für meinen »Bali Belly«, jedenfalls verbrachte ich den Großteil des Tages und der Nacht auf dem Klo. Ich verlor innerhalb von fünf Tagen vier Kilo und war so erschöpft, dass ich kaum noch sprechen konnte. Als ich endlich etwas Salz und Cola zu mir nehmen konnte, schleppte mich Brigitte zum Flughafen. Wie Tausende von Backpackern wollten auch wir nach unserer Reise durch Asien über Australien zurück nach Europa reisen und dann über Neuseeland, den Südpazifik und die Vereinigten Staaten. Der Flug von Bali nach Darwin ist nur ein Katzensprung. Der erste Mensch, den ich in Australien sah, war ein Flughafenarbeiter in der damals klassischen Uniform des australischen Nordens: Shorts, kurzärmliges Hemd, Halbschuhe und weiße Socken. Für mich war es, als ob wir im Paradies gelandet seien. »Nirwana«, sagte ich, als ich mich in einer garantiert rattenfreien Backpacker-Unterkunft aufs Bett warf.
Nicht einmal im Traum hätte ich an diesem Sonntag im heißen australischen Hochsommer gedacht, dass dieser Kontinent einmal meine Heimat werden sollte.
Und genau in diesem Moment fahren wir an dieser Backpacker-Unterkunft vorbei. Wie damals liegen Jungs mit nacktem Oberkörper in den Hängematten, wie damals sonnen sich die Mädchen in knappen Bikinis am Swimmingpool. Es scheint, als ob sich nichts geändert hätte. Der einzige Unterschied ist wohl, dass ihre Musik aus dem iPod statt aus dem Walkman schallt. Darwin dagegen ist kaum wiederzuerkennen. Es hat sich in nur zwei Jahrzehnten von einem Kaff am Ende der Zivilisation zur Metropole des Nordens gemausert. In erster Linie dank des Rohstoffbooms. Hätte ich damals hier ein Haus gekauft, für 60 000 Dollar, ich wäre heute Millionär. Die enorme Nachfrage und die hohen Gehälter, die in der Rohstoffindustrie bezahlt werden, haben die Preise für Immobilien auch hier in Höhen getrieben, die für Normalverdiener schlicht unbezahlbar sind.
Einen Tag später, nach einer Übernachtung in Kununurra, kreisen wir in unserer Maschine über einem der wohl wertvollsten Stücke Land auf dem roten Kontinent. Die Argyle-Diamantenmine in den Kimberley im Norden von Westaustralien. Ein gigantisches Loch liegt unter uns, als wir zur Landung ansetzen. Die Heimat der rosaroten Diamanten. »Ob wir ein Gastgeschenk erhalten werden?«, fragt Damien schmunzelnd. »Meine Frau würde sich über einen ›Pinki‹ freuen.« Als wir mit einem Kleinbus ins Informationszentrum der Mine fahren, werden Damiens Hoffnungen schnell zunichtegemacht. Der Manager der Firma teilt ein Stakkato von Warnungen aus. Sicherheit sei hier das höchste Gebot, und zwar in mehrfacher Weise. Zum einen wolle die Firma möglichst unfallfrei sein, zum andern wolle sie kein Geschäft verlieren. Nichts dürfe mitgenommen werden. »Kein Stein, kein Kiesel, nichts. Es gibt Stichproben«, sagt er.
Auf der Fahrt zum Abbaustoß der Mine wird uns rasch klar, dass wir wohl eher dreimal einen Sechser im Lotto haben würden, als dass wir in dieser Halde von grauem Gestein einen Diamanten finden. Dabei ist Argyle – gemessen an der Produktion – die größte Diamantenmine der Welt. 34 Millionen Karat an edlem Gestein werden hier pro Jahr aus dem Felsen gebrochen. Die überwältigende Mehrheit
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