Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
sind Diamanten, die in der Industrie Anwendung finden. Als Spitze des Bohrers etwa, den John Taylor zum Bohren meines Wasserlochs verwendet hat. Oder in anderen Werkzeugen, in denen das härteste Material der Welt benötigt wird. Wir aber sind wegen der rosaroten Diamanten hier. Sie machen zwar nur gerade ein Prozent der Gesamtproduktion von Argyle aus. Dafür sind sie umso lukrativer. »Pink Diamonds« aus Argyle gehören zu den seltensten Edelsteinen auf der Welt. Qualitativ besonders hochwertige Stücke wechseln nicht selten für 100000 Dollar die Hand – pro Karat, erklärt uns später in Kununurra die Deutsche Frauke Boten-Boshammer. Sie ist eine auf Argyle-Diamanten spezialisierte Expertin. »750000 Dollar kostet der hier«, sagt sie und legt einen blassen Stein auf ein schwarzes Seidentuch. »Als Nicole Kidman hier war, um den Film ›Australia‹ zu drehen, hat sie sich gleich ein paar gekauft.« Den Preis, den die Schauspielerin bezahlt hat, will sie nicht verraten. Im Diamantengeschäft herrscht strikte Verschwiegenheit. »Aber sie war sehr nett«, sagt Frauke.
Zurück in der Mine, kann der Manager es nicht erwarten, uns William Ramsey vorzustellen. Der junge Aboriginal-Mann in oranger Warnweste und übergroßer Schutzbrille aus Plastik nimmt in der Werkstatt einen Motor auseinander. Er ist ein Auszubildender, der bei Argyle Mechaniker wird. »Ich bin stolz, ein Beispiel für andere junge Aborigines zu sein«, meint er. Wie viele Ureinwohner habe auch er keine Chance gesehen, je einen Beruf erlernen zu können. »Dann hat mir Argyle geholfen«, meint er. Fast jedes australische Rohstoffunternehmen hat ein Programm, das Aborigines Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten gibt – Rio Tinto, der globale Konzern, dem Argyle gehört, gilt als führend in der Ausbildung von Aborigines. Kritiker, und von denen gibt es nicht wenige, sehen solche Initiativen als Alibiübungen. »Im Gegenzug verlangen die Unternehmen, dass ihnen die Aborigines Zugang zum Land geben. Von der Ausbeutung ihrer Rohstoffe erhalten sie nichts als Tantiemen«, meint Damien. Das mag schon sein. Trotzdem kann für junge Aborigines die Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen, den Unterschied bedeuten zwischen einem Leben in Armut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit und einem von Stolz und Produktivität. Das Wichtigste aber sei, »dass ich für andere in meiner Gemeinde ein Vorbild bin«, erzählt uns Ramsey. »Einige Jugendliche in meinem Dorf überlegen sich nun, auch eine Ausbildung zu machen.«
Wir verabschieden uns von Argyle. Es gibt, zu unserer großen Erleichterung, keine Stichproben. Wie wir erfahren, verpassen wir ein legendäres Unterhaltungsprogramm. Denn früher habe ein Besucher, der Argyle betreten hat, beim Ausgang blind in eine Kiste greifen müssen, in der sich verschiedenfarbige Kugeln befinden. Wer Blau erwischte, durfte gehen. Wer Rot griff, musste seine Taschen leeren. Wer eine gelbe Kugel in der Hand hatte, musste sich abtasten lassen. Und wer Schwarz erwischte: Jackpot. Ihm stand eine Ganzkörperuntersuchung bevor. »Die Regel galt für alle«, sagt unser Begleiter, »selbst für den obersten Chef.« Ich stelle mir den bedauernswerten Angestellten vor, der seinem Boss den Zeigefinger in den Hintern stecken musste, um zu kontrollieren, ob er einen rosaroten Diamanten versteckt hatte.
Zurück in Greentown, hat mich der Alltag rasch wieder. Ich bin wieder Hausmann: Waschen, Kochen, Kinder zur Schule bringen. Und dazwischen habe ich Aufgaben, auf die ich gerne verzichten würde.
KAPITEL 30
Es ist kurz vor Mitternacht, als Christine nach Hause kommt. Sie hatte Spätdienst im Krankenhaus. »Ich hab wieder eins aufgeladen«, sagt sie, »sorry.« Bei mir muss sie sich nicht entschuldigen, denke ich, gehe zum Waffenschrank und hole mein Kleinkalibergewehr. Etwas Größeres brauche ich nicht, Kängurus haben dünne Schädelknochen. Das hat mir Kristen Lombardo erzählt. Er ist Kängurujäger und lebt in Broken Hill. Während ich mit meinem Handscheinwerfer den Straßenrand nach dem angefahrenen Känguru absuche, denke ich an den Ausflug mit ihm, den ich nicht so schnell vergessen werde. Damals, 1000 Kilometer westlich von Sydney, mitten im Nirgendwo, in der Dunkelheit der Nacht.
Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.
Kristen Lombardo lehnte sich aus dem Fenster des Fahrzeugs, griff nach seinem Gewehr und hielt den Atem an. Die Muskeln seiner wuchtigen Arme spannten sich, als er den Zeigefinger an den
Weitere Kostenlose Bücher