Weit wie das Meer
Segeln. Die Temperaturen verändern sich ständig, und das ist günstig fürs Segeln.«
»Was passiert, wenn der Wind völlig abflaut?«
»Die Segel sind schlaff, und das Boot bewegt sich nicht vom Fleck. Man ist völlig machtlos.«
»Sie sagten, das sei Ihnen schon mal passiert?«
Er nickte.
»Und was haben Sie getan?«
»Nichts. Mich zurückgelehnt und die Stille genossen. Ich war ja nicht in Gefahr und wußte, daß die Temperatur irgendwann sinken würde. Also habe ich einfach gewartet. Nach einer Stunde etwa kam eine Brise auf, und ich habe mich auf den Rückweg gemacht.«
»Hört sich so an, als wäre es am Ende ein recht vergnüglicher Tag gewesen.«
»Ja, das war es.« Er wich ihrem Blick aus und starrte auf die Kabinentür. »Einer der schönsten«, fügte er nach einer Weile hinzu.
»Komm her und setz dich zu mir«, sagte Catherine und deutete auf den Platz neben sich.
Garrett schloß die Kabinentür und trat auf sie zu.
»Dies war der schönste Tag, den wir seit langem zusammen verbracht haben«, sagte Catherine mit sanfter Stimme. »Ich glaube, wir hatten in letzter Zeit zuviel um die Ohren, und… ich weiß nicht…« ihre Stimme verlor sich. »Ich wollte uns einfach etwas Besonderes gönnen.«
Als sie diese Worte sagte, schien es Garrett, als hätte seine Frau denselben zärtlichen Ausdruck in den Augen wie in ihrer Hochzeitsnacht.
Garrett setzte sich neben sie und schenkte den Wein ein.
»Tut mir leid, daß ich in letzter Zeit so viel im Laden zu tun hatte«, sagte er ruhig. »Ich liebe dich, weißt du?«
»Ich weiß«, lächelte sie und legte die Hand auf seine.
»Es wird bald besser. Ich versprech’s dir.«
Catherine nickte und hob ihr Weinglas. »Laß uns jetzt von etwas anderem reden. Ich möchte jetzt einfach nur noch genießen…«
»Garrett?«
Verwirrt blickte er Theresa an. »Tut mir leid«, stammelte er.
»Sind Sie okay?« Sie musterte ihn mit einer Mischung aus Sorge und Befremden.
»Doch, doch… Mir ist nur gerade etwas eingefallen, das ich morgen zu erledigen habe«, sagte er und legte die gefalteten Hände um sein hochgezogenes Knie. »Aber genug von mir. Jetzt sind Sie dran, von sich zu erzählen.«
Verwirrt und ein wenig unsicher, was genau er hören wollte, beschloß sie, ganz von vorn anzufangen - bei ihrer Kindheit und Jugend, ihrer Zeit am College, ihrem beruflichen Werdegang, ihren Hobbys. Am meisten aber erzählte sie von Kevin, was für ein wundervoller Sohn er sei und wie leid es ihr tue, daß sie nicht viel mehr Zeit für ihn habe.
Garrett lauschte ihr schweigend. »Und Sie waren nur einmal verheiratet?« fragte er schließlich.
Sie nickte. »Acht Jahre. Aber David - so heißt mein Exmann - schien irgendwie das Interesse an unserer Beziehung zu verlieren… und dann hatte er eine Affäre. Damit konnte ich einfach nicht leben.«
»Das könnte ich auch nicht«, sagte Garrett sanft, »aber das macht es nicht leichter.«
»Nein, das hat es nicht leichter gemacht.« Sie hielt inne und trank einen Schluck. »Aber wir kommen heute trotzdem relativ gut miteinander aus. Er ist Kevin ein lieber Vater, und das ist das einzige, was für mich zählt.«
Eine härtere Dünung erfaßte das Boot, und Garrett stand auf, um zu prüfen, ob der Anker hielt.
»Jetzt sind Sie dran«, sagte Theresa, als er sich wieder gesetzt hatte. »Erzählen Sie von sich.«
Auch Garrett fing ganz am Anfang an und schilderte, wie er als Einzelkind in Wilmington aufgewachsen war. Er erzählte ihr, daß er seine Mutter mit zwölf Jahren verloren hatte und daß er sozusagen auf dem Wasser aufwuchs, da sein Vater die meiste Zeit auf seinem Boot verbrachte. Er erzählte von seinen Jahren am College - ließ einige der wilderen Episoden aus, die einen falschen Eindruck hätten erwecken können - und beschrieb, wie er den Laden aufgebaut hatte und wie sein typischer Arbeitstag heute ablief. Catherine aber erwähnte er mit keinem Wort.
Es dunkelte, Nebel stieg auf; und während das Boot sanft schaukelte, stellte sich eine Art Vertrautheit zwischen ihnen ein. Die frische Luft, der Wind auf ihren Gesichtern und die leichte Bewegung des Bootes sorgten dafür, daß sich ihre anfängliche Befangenheit legte.
Später versuchte sich Theresa an ihre letzten Rendezvous zu erinnern. Die meisten Männer, mit denen sie in Boston ausgegangen war, schienen der Meinung zu sein, daß schon etwas dabei herausspringen müsse, wenn sie eine Frau zum Essen oder ins Theater ausführten. Garrett dagegen
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