Weit wie das Meer
sie dann aber auf den Tisch; sie würde es Garrett überlassen, ob er sie anzünden wollte oder nicht. Garrett trat ein, als sie eben fertig war.
»Es dauert noch ein paar Minuten. Sollen wir uns solange nach draußen setzen?«
Theresa nahm ihr Bier und folgte ihm auf die Veranda. Wie am Vorabend kam ein leichter Wind auf. Sie nahm auf einem der Stühle Platz; Garrett setzte sich neben sie und schlug die Beine übereinander. Sein helles T-Shirt betonte seine tiefbraune Haut, und Theresa beobachtete ihn, wie er aufs Meer hinaus schaute. Sie schloß eine Weile die Augen und fühlte sich so lebendig wie lange nicht mehr.
»Ich wette, Sie haben von ihrer Wohnung keinen solchen Ausblick«, sagte er in das Schweigen hinein.
»Stimmt«, erwiderte sie. »Meine Eltern finden es völlig verrückt, im Zentrum zu wohnen. Sie meinen, ich sollte in einen Vorort ziehen.«
»Warum tun Sie’s nicht?«
»Das habe ich ja getan - vor meiner Scheidung. Aber jetzt ist es so viel leichter für mich. Ich bin in wenigen Minuten in der Redaktion, und Kevins Schule ist nur einen Häuserblock entfernt. Außerdem brauchte ich einen Tapetenwechsel, nachdem meine Ehe gescheitert war. Ich hätte die neugierigen Blicke meiner Nachbarn nicht ertragen.«
»Wie meinen Sie das?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich habe keinem von ihnen gesagt, warum David und ich uns getrennt haben. Ich fand einfach, das ginge sie nichts an.«
»Da hatten Sie recht.«
»Ich weiß«, fuhr sie nach kurzem Zögern fort, »aber ihrer Meinung nach war David ein idealer Ehemann. Er hatte Charme und Erfolg, und keiner hätte ihm etwas Unrechtes zugetraut. Wenn wir zusammen waren, hat er stets so getan, als wäre alles in Ordnung. Und ich habe erst ganz am Ende erfahren, daß er schon lange eine Affäre hatte. Aber man sagt ja, daß es die eigene Frau immer als letzte erfährt.«
»Und wie sind Sie dahintergekommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, es klingt verrückt - durch die Reinigung. Als ich dort seine Anzüge abholte, gab mir die Angestellte ein paar Quittungen, die in einer Westentasche gesteckt hatten. Eine war von einem Hotel in der Stadt. Anhand des Datums wußte ich, daß er abends zu Hause gewesen war; er mußte also am Nachmittag nach der Arbeit dort gewesen sein. Als ich ihn zur Rede stellte, stritt er alles ab, doch an seinem Gesicht erkannte ich, daß er log. Schließlich kam die ganze Geschichte heraus, und ich habe die Scheidung eingereicht.«
Garrett hörte schweigend zu und fragte sich, wie eine solche Frau sich in einen Mann hatte verlieben können, der ihr so etwas antun konnte. Als hätte sie seine Gedanken erraten, fuhr sie fort: »David gehört zu den Männern, denen man einfach alles glaubt, was sie sagen. Ich vermute sogar, er hat das meiste selbst geglaubt. Ich habe ihn auf dem College kennengelernt und war einfach fasziniert von ihm. Er war intelligent und charmant, und ich fühlte mich geschmeichelt, daß er sich für jemanden wie mich interessierte. Ich war ein junges Ding, das frisch aus Nebraska kam, und er war so ganz anders als die jungen Männer, die ich von zu Hause her kannte. Und als wir geheiratet haben, glaubte ich, ein märchenhaftes Leben würde beginnen. Aber für ihn muß das alles ganz anders gewesen sein. Ich habe später herausgefunden, daß er schon fünf Monate nach unserer Hochzeit seine erste Affäre hatte.«
Sie hielt inne, und Garrett starrte zu Boden. »Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Da gibt es nichts zu sagen«, entgegnete sie. »Es ist vorbei, und wie ich gestern schon sagte, ist für mich nur noch wichtig, daß er Kevin weiterhin ein guter Vater ist.«
»Das hört sich an, als wäre es Ihnen ganz leichtgefallen.«
»Oh, nein, das ist es nicht. David hat mir sehr weh getan, und ich habe mindestens zwei Jahre und fünfzig Sitzungen bei einer guten Therapeutin gebraucht, um damit fertig zu werden. Ich habe viel von meiner Therapeutin gelernt, viel über mich selbst. Einmal, als ich ihn einen Unmenschen nannte, erklärte sie mir, daß er, solange ich an meinem Zorn festhielt, immer noch Macht über mich habe, und so begann ich, gegen meine Wut anzukämpfen.«
»Hat Ihnen Ihre Therapeutin noch andere Dinge gesagt, an die Sie sich erinnern können?«
Theresa lächelte. »Eine ganze Menge. Eines hat sich mir besonders eingeprägt: Falls ich jemals einem Mann begegnen sollte, der mich an David erinnert, dann solle ich davonlaufen, so schnell ich könnte.«
»Erinnere ich Sie an
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