Weit wie das Meer
mich lediglich erinnert, wie es mir mit meinem Vater ergangen ist. Er stand mir immer sehr nahe, und daran hat sich auch nichts geändert, als ich auf die High-School kam. Ich interessierte mich zwar für neue Dinge, verbrachte mehr Zeit mit meinen Freunden, aber trotzdem haben wir immer alles miteinander besprochen.«
»Ich hoffe, bei uns wird es auch so sein«, sagte sie.
Für eine Weile hing jeder seinen Gedanken nach. Garrett fühlte, wie die anfängliche Nervosität allmählich von ihm abfiel. Theresa war die erste Frau, die er in sein Haus eingeladen hatte, und er stellte fest, daß er ihre Gegenwart genoß.
Als alle Tomaten gewürfelt waren, gab er sie in die Salatschüssel und wischte sich die Hände an einem Stück Haushaltspapier ab. Dann ging er zum Kühlschrank, um sich ein zweites Bier zu holen.
»Möchten Sie auch noch eins?« fragte er.
Sie hielt ihre Flasche prüfend gegen das Licht, wunderte sich, wie schnell sie getrunken hatte, und nahm einen letzten Schluck. Dann stellte sie die leere Flasche auf den Tisch und nickte. Er öffnete eine neue für sie und schob sie ihr hin, bevor er sich selbst eine aufmachte. Theresa lehnte an der Küchentheke, und irgend etwas an der Art, wie sie dastand, kam ihm plötzlich vertraut vor, das Lächeln vielleicht, das ihre Lippen umspielte, oder die Kopfhaltung, wenn sie ihn von der Seite ansah. Er fühlte sich an den Sommernachmittag mit Catherine erinnert, als er unangekündigt zum Mittagessen gekommen war - ein Tag, der im nachhinein voll düsterer Vorzeichen gewesen war… doch wie hätte er alles voraussehen können? Sie hatten beide in der Küche gestanden, so wie Theresa und er jetzt.
»Du hast bestimmt schon gegessen«, sagte Garrett.
Catherine, die vor dem geöffneten Kühlschrank stand, blickte zu ihm auf. »Ich bin nicht besonders hungrig«, entgegnete sie. »Aber ich habe Durst. Möchtest du etwas Eistee?«
»Gern. Ist die Post schon da?«
Catherine nickte und nahm den Teekrug aus dem oberen Fach. »Sie liegt auf dem Tisch.«
Sie holte zwei Gläser und stellte sie auf die Küchentheke. Als sie das zweite Glas einschenken wollte, glitt es ihr plötzlich aus der Hand.
»Alles okay?« fragte Garrett und legte die Post beiseite. Catherine hielt verwirrt die Hand vor den Mund und bückte sich dann, um die Scherben aufzulesen.
»Mir war einen Augenblick ganz schwindelig«, sagte sie. »Aber jetzt geht’s schon wieder.«
Garrett half ihr, die Scherben aufzusammeln.
»Fühlst du dich immer noch schwach?«
»Nein, aber vielleicht habe ich heute morgen zu lange im Garten gearbeitet.«
»Soll ich nicht hierbleiben? Diese Woche war ziemlich hart für dich.«
»Es geht schon. Außerdem weiß ich, daß du viel zu tun hast.«
Das stimmte zwar, doch als er zum Laden zurückfuhr, hatte er das Gefühl, daß er besser hätte bleiben sollen.
Schlagartig wurde ihm bewußt, daß er wieder minutenlang mit den Gedanken woanders gewesen war. »Ich sehe mal nach dem Grill.« Er hatte das Bedürfnis, irgend etwas zu tun. »Er müßte bald soweit sein.«
»Soll ich inzwischen den Tisch decken?«
»Gern. Die meisten Sachen sind dort im Schrank.«
Nachdem er ihr gezeigt hatte, wo Geschirr und Besteck zu finden war, ging er nach draußen und versuchte, die quälenden Erinnerungen zu verdrängen. Er beugte sich über den Grill, prüfte die Holzkohle und stellte fest, daß sie noch ein paar Minuten brauchte. Dann holte er einen kleinen Blasebalg aus der Holztruhe. Er setzte sich auf das Geländer neben den Grill und atmete tief durch. Die Meeresluft war frisch, fast berauschend, und zum ersten Mal wurde ihm klar, daß er trotz der immer wieder auftauchenden Bilder von Catherine froh über Theresas Besuch war. Er war glücklich - ein Gefühl, das er lange nicht mehr verspürt hatte.
Es lag nicht nur daran, daß sie sich gut verstanden, sondern auch an anderen kleinen Dingen. Etwa wie sie lächelte, wie sie ihn ansah oder wie sie am Nachmittag seine Hand ergriffen hatte - und es kam ihm vor, als kenne er sie schon viel länger als nur zwei Tage. Lag es wohl daran, daß sie Catherine in vielerlei Hinsicht ähnelte? Oder wurde es, wie sein Vater gesagt hatte, einfach nur Zeit, daß er wieder unter Menschen kam?
Während er draußen war, deckte Theresa den Tisch. Sie stellte ein Weinglas neben jeden Teller und suchte in den Schubladen nach dem Besteck. Dabei fand sie zwei kleine Kerzen mit Kerzenhaltern. Sie überlegte, ob es des Guten zuviel wäre, stellte
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